Sperrzone Fukushima
vier tang oder auch 1 200 tsubo . Er sagte, die Bauern könnten ihre Ernte nicht mehr verkaufen.
»Ist es hier gefährlich?«
»Sie sagen nicht, es sei ungefährlich.«
Wir verbeugten uns, dankten ihm und stiegen wieder ins Taxi.
Auf der ansonsten verlassenen Straße kam uns ein Auto entgegen; unser Fahrer fragte die alte Dame am Steuer, ob man nach Kawauchi durchkäme. Sie sagte: »Fahren Sie«, wobei sie den Mund die ganze Zeit über höflich mit der Hand bedeckt hielt. Das Messgerät stand weiter auf 2,7 Millirem.
Wir hielten uns jetzt parallel zum Fluss, an dessen anderem Ufer zahlreiche Nara-Bäume mit schlanken Stämmen wuchsen; das war offenbar die Eiche Japans. Ich bat den Fahrer anzuhalten. Wo unlängst noch winterlicher Wald gewesen war, spross es jetzt grün. Mich erfasste ein seltsames, beinahe unheimliches Gefühl. Wie schön, die grünen Flechten auf den Felsen! Im kühlen Schatten der Zedern lagen die Nadeln so dick auf dem Boden, dass mein Schritt keinen Laut mehr machte. Flach und grün fiel das Sonnenlicht durch die Bäume. Ein unbekannter Vogel pfiff immer wieder seinen Ruf aus zwei Tönen. Auf einem dieser massigen, flachen Felsblöcke hätte ich gern ein Picknick gehalten. Ich genoss die kühle Brise an meinem Rücken; der Grad ihrer Verstrahlungwar natürlich unbekannt. Ich spazierte über eine Brücke auf die graurosafarbenen Nara-Bäume zu, hinter denen sich eine weitere Wand aus Zedern erhob. Neben mir wuchs ein Hain aus jungem grünem Bambus. Ich blickte hinab in den jadegrünen Fluss mit seinen weißen Fächern und Bändern aus Schaum an jeder der moosbewachsenen kleinen Felseninseln, vergaß, wo ich war, und nahm einen Augenblick lang den Mundschutz ab, der vielleicht sowieso nutzlos war.
Weiter ging die Fahrt, und nicht lange nachdem wir am Straßenrand ein paar Holzkisten entdeckt hatten, die dem Fahrer zufolge zum Sammeln von Wildbienen dienten, verkündete ein aufgestelltes Schild ganz unaufdringlich: ZUTRITT POLIZEILICH BESCHRÄNKT . Und so erreichten wir das Dorf Kawauchi, zehn Kilometer vor dem inneren Kreis. In den Häusern rührte sich nichts. Der Fahrer sagte: »Vielleicht sind sie evakuiert worden. Ein schlechtes Zeichen.«
An einem Hang gleich an der Straße stand ein hübsches Holzhaus. Ich sah einen alten Mann, der in Watstiefeln irgendetwas verrichtete, bat den Fahrer, wieder anzuhalten, und die Dolmetscherin und ich stiegen aus und stellten uns Herrn Sato Yoshimi vor, der sagte: »Ich bin nach Koriyama ins Aufnahmelager gegangen und heute erst zurückgekommen.«
»Warum sind Sie zurückgekommen?«
»Ich war ungefähr einen Monat in der Großen Palette und musste einfach nach meinem Haus sehen. Morgen gehe ich zurück in die Große Palette.«
»Warum sind Sie dorthin gezogen?«
»Man hat den Menschen hier gesagt, innerhalb des Zwanzig-Kilometer-Radius müsse man räumen. Innerhalb des Dreißig-Kilometer-Radius wolle man es vielleicht freiwillig tun. Also hat man dieses Dorf sicherheitshalber räumen lassen.«
Das verstand ich nicht ganz; aber wer genau die Evakuierung angeordnet hatte und wie freiwillig sie gewesen war, wollte dieser alte Mann mit seinen kaputten Zähnen vielleicht nicht genau sagen. Sein weißer Mundschutz baumelte ihm zwischen Kinn und Hals.
»Wie haben Sie das Erdbeben erlebt?«
»Ich war vor Ort«, antwortete er. »Ich habe an Turbine 4 gearbeitet. Ich bin seit über dreißig Jahren im Reaktor beschäftigt.«
»War das eine gute Stellung?«
»Na ja, vor dem Unfall hat es mir Spaß gemacht. Man hätte ja nie gedacht …«
»Und was geschah dann?«
»Es war gegen zwei Uhr dreißig. Im Gebäude waren die Erschütterungen fürchterlich, und die Lampen fielen von der Decke. Überall Sand und Staub – man konnte die Hand nicht vor Augen sehen. Ich war im Sperrbereich, wo man die von Tepco vorgeschriebene Schutzkleidung tragen muss und jeder ein Dosimeter hat.«
»Haben Sie es noch?«
»Ich habe es im Reaktorgebäude gelassen.«
»Haben Sie den Tsunami gesehen?«
»Ich bin noch rausgekommen, unmittelbar davor. Ich habe mich vom Gebäude Nr. 4 aus zu Fuß auf den Weg gemacht, mit meinen Kollegen. Aus den Rohrleitungen trat viel Wasser aus, weil der Boden sich gesenkt hatte. Man arbeitet im Team – zu sechst. Wir haben das Gebäude gemeinsam verlassen. In vier Kilometer Entfernung gibt es eine Dienststelle. Dort haben wir uns gemeldet. Als alle dort waren, hat man uns gesagt, wir könnten gehen, wohin wir wollten, auf eigene
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