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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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Daumen und Mittelfinger gruben sich schmerzhaft unterhalb meiner Ohren in die Muskeln. Mein Haar fiel an den Seiten herab. Selbst die Engel schwiegen jetzt, so groß war meine Furcht. »Es ist, als würde meine ganze Seele in deinem Blut singen … es …« Die Stimme sank hinab in die Finsternis. » Hilf mir, sie zu finden. «
    Ich konnte kaum sprechen, versuchte zu schlucken. »Sag mir wie …«
    »Ich weiß es nicht …« Immer noch hing ich völlig hilflos in seiner Hand, die Füße über dem Boden baumelnd, die Halswirbel zusammengestaucht.
    »Ich …« Er gab einen grauenhaften Laut von sich, der fast wie ein grimmiges Schluchzen klang. »Ich schaffe es nicht, Coco … es ist … es kommt mir vor, als hätte ich Hunderte von Jahren umsonst gekämpft … Deo volente … mein Gott, bei den Engeln … ich wollte niemals mit dieser halben Seele leben.« Mit der Hand im Nacken ließ er mich sinken, so dass ich meine Fußspitzen aufstellen konnte. Ich holte mehrmals kurz Luft, stemmte mich gegen seine Brust, um ihn wegzudrücken.
    Er hielt mich fest.
    »Vielleicht solltest du einfach davonlaufen«, flüsterte er und strich mit seiner freien Hand die Tränen von meinen Wangen. »Aber vielleicht werde ich dich dann jagen …« Seine Augen öffneten und schlossen sich in einem wilden Rhythmus, als suchte er sich selbst dazwischen. Noch einmal versuchte ich, das Transparent aufzufalten, noch einmal glättete es sich für mich, als wollte es mir eine letzte Gnade gewähren. Er zog mich wieder höher, keuchte auf. Flügel schlugen hektisch in mir, wie die eines eingesperrten Vogels. Hadurahs halbe Seele!
    Remo stirbt, ihre Seelenhälften gleiten ins Nichts, deswegen kann ich sie nicht mehr spiegeln. Als Glynis ihre Seele beinah verloren hätte, geschah das auch nicht schlagartig … Oh bitte … nein, bitte, das hat er nicht verdient … bitte! Wenn er mich jetzt tötet, wer wird dann das Spiegelblut?
    »Damontez …«
    »Coco-Marie?« Seine Finger drückten fester zu. Seine Klauen durchbohrten meine Haut.
    »Remo …«, brachte ich mühsam hervor.
    »Remo?« Er sprach den Namen befremdlich aus, zog mich noch höher zu sich, so dass ich fast auf Augenhöhe mit ihm war. Nur dass mein Gesicht in die bleich werdenden Sterne blickte. Als ich vor Schmerz und Angst anfing zu wimmern, blies er seinen Atem über meine Wangen, meinen Mund, die Stirn … Und wieder. Und wieder. Als wollte er mich zum Leben erwecken, als hätte er mich schon getötet.
    » Remo suchen … bitte …«
    »Erzähl mir von dir, Coco …«
    »Was?«
    »Im Moment …«, er flüsterte, senkte sein Gesicht über meins und verdunkelte den Himmel, »bist du nur das Spiegelblut für mich … aber das war einmal anders … es ist so weit weg … ich kann es nicht finden …« Er sah aus, als konzentrierte er sich auf ein Musikstück, das weit entfernt spielte, als suchte er seine Seele zwischen den Schatten des Nichts. Seine Seelenhälfte, die liebte …
    »Remo hat gesagt, du würdest mich lieben, wie noch nie jemand zuvor geliebt hätte …« Meine überstreckte Kehle gab die Worte kaum frei, es war so anstrengend zu sprechen.
    Er hielt mich still.
    »Er hat gesagt, es wäre, wie … wie auf einen Berg steigen und zu rufen: Ich liebe! Wie rennen ohne Ziel …«
    »Das klingt schön. Fast wie dein Blut …« Er schloss einen Arm um meine Taille und entlastete so meinen Nacken.
    »Ich habe dich gehasst!«, flüsterte ich. Die Spiegelsicht kam zurück. Als kleines Licht am Boden eines trüben Gewässers. Meine Hände fanden sein Gesicht, strichen verzweifelt über die kalten Wangen.
    »Gehasst?« Er legte seine Stirn an meine. Atmete weiter. Himmel, wieso atmete er? Tat er es wegen Remo? Der Odem – die Seele. Half er Remo damit, am Leben zu bleiben?
    »Ich wollte kein Spiegelblut sein«, stieß ich hervor. »Erst recht nicht deins. Aber jetzt ist alles anders.«
    Er presste mich an sich, grub seinen Kopf in die Kuhle zwischen Hals und Schulter. Eine Zärtlichkeit voller Schmerz. »Alles ist anders … Coco …« Meine Füße wurden auf den Grund gestellt. Der Druck in meinem Nacken ließ ein wenig nach, der Arm um meine Taille löste sich. Damontez’ Hand rahmte mein Gesicht. Die Fingerkuppen streichelten unbeholfen meinen Haaransatz. Ich schluchzte auf. Zitternd versuchte ich, seinem Griff zu entkommen. »Schau mich an … bitte schau mich an! «
    Durch meine Tränen sah ich in seine vollkommen finsteren Augen. Plötzlich war da wieder etwas Vertrautes. Das

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