Schattenherz
Kapitel 1
⦠und Sie sagen, Malin hat schon öfter versucht, sich das Leben zu nehmen, Herr â¦?« Die junge Ãrztin schlug die Krankenakte auf und suchte nach dem Namen des Mannes, der Malin Kowalski vor gut anderthalb Stunden eingeliefert hatte. »⦠Herr Gräther?«
»Ja.«
»Wann und in welcher Weise?« Die Ãrztin zückte einen Kugelschreiber, um die entsprechenden Daten und Fakten einzutragen.
»Nein also ⦠« Helmut Gräther hob abwehrend die Hände und setzte ein gewinnendes Lächeln auf. »⦠das war jetzt nicht wortwörtlich gemeint!«
Die Ãrztin bemühte sich zurückzulächeln, obwohl ihr Gräther alles andere als sympathisch war. »Wie Sie wissen, unterliegen wir hier alle der Schweigepflicht. Das heiÃt, Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass irgendwas von dem, was wir hier besprechen, nach auÃen dringt. Und niemand wird aus dem suizidalen Verhalten Ihrer Tochter irgendwelche negativen Schlüsse auf Sie als Erziehungsberechtigten ⦠«
Bevor sie den Satz zu Ende sprechen konnte, flog die Tür auf. »Helmut! Altes Haus! Ich hätt mir weià Gott angenehmere Umstände gewünscht, aber es ist groÃartig, dich zu sehen! Wie lange ist das jetzt her?«
Gräther sprang auf und schüttelte dem Klinikchef die Hand. »Mensch, Ulli, danke! Wenn du nicht gewesen wärst, hätten die Bullen meine Kleine glatt in irgend so âne städtische Klapsmühle eingewiesenâ¦Â«
»Nana! Nichts gegen die Uni-Psychiatrie, mein Alter«, Dr. Spengler hob lachend den Zeigefinger, »schlieÃlich hab ich mir da meine ersten wissenschaftlichen Lorbeeren verdient. Aber hier bei uns ist definitiv das Essen besser!« Er lachte erneut und lieà sich in einen der Besuchersessel fallen. »Jetzt erzähl doch erst mal! Wie ist es dir denn so ergangen die letzten Jahre? Mal im Ernst: Wie lange ist das jetzt her?«
»Seit der Uni? Fast ein Vierteljahrhundert!«
»Hast dich aber gut gehalten!«
»Du dich aber auch!«
»Magst du was trinken?«
Als keiner der beiden Männer Anstalten machte, sie ihre Arbeit fortsetzen zu lassen, klappte die junge Ãrztin die Akte zu und verlieà wortlos das Besprechungszimmer.
Dakota, ich binâs noch mal.
Die wollen mich umbringen, weiÃt du? â Nein, ich meine nicht die hier in der Klinik, sondern â¦
Als Malin Schritte auf dem Gang hörte, senkte sie ihre Stimme.
⦠obwohl: Genau weià ich das natürlich nicht. Der Chef hier ist immerhin ân alter Kumpel von â¦
Die Schritte verstummten. Als die Tür aufging, lieà sie den MP3-Player hastig unter ihrer Decke verschwinden.
»Hallo, Malin.« Die junge Ãrztin, die sie in Empfang genommen hatte, trat ein. Sie trug einen schmalen Aktenordner unter dem Arm.
»Wie fühlst du dich, hm?«
Einen Moment lang überlegte Malin, ob sie einfach »GroÃartig! Mein Adoptivvater versucht, mich umzubringen, und als das nicht hinhaut, steckt er mich in die Klapse! Toll! Könnte nicht besser gehen!« sagen sollte.
Stattdessen murmelte sie: »Bestens â¦Â«, und schloss die Augen.
Die Ãrztin zog einen Stuhl heran und setzte sich zu ihr. »Ich heiÃe Franziska. Franziska Reinhardt, aber du kannst mich gerne duzen.«
Fein. Und wenn ich mich schlafend stelle, wirst du hoffentlich bald verschwinden, dachte Malin, rollte sich auf die Seite und bemühte sich, tief und gleichmäÃig zu atmen.
»Die Wirkung der Medikamente lässt im Lauf der Nacht nach. Du wirst sehen, morgen früh gehtâs dir schon sehr viel besser.«
Als die Ãrztin Minuten später immer noch schweigend an ihrem Bett saÃ, gab Malin den offenbar sinnlosen Versuch, sich schlafend zu stellen, auf.
»Ist er weg?«
»Wer?«
»Helmut. Also ⦠mein Vater.«
»Ich glaube nicht. Er und der Chef sind ja offenbar alte Bekannte. Möchtest du noch mal mit ihm sprechen?«
»Nein!!!«
Die Ãrztin zuckte regelrecht zusammen.
Bei näherem Hinsehen erwies sich die kleine, zierliche Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt sogar als ganz sympathisch. Sie erinnerte Malin entfernt an eines ihrer Kindermädchen, eine von den netteren, und bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte, sprudelte es auch schon aus ihr heraus: »Bitte glauben Sie ihm kein Wort! Er ist nicht mein richtiger Vater, verstehen Sie? Und er will mich
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