Spiel, Kuss & Sieg
Ohren spitzte, ob nicht in irgendeinem Gespräch sein Name fiel.
„Nur das Anchovis-Häppchen oder auch ein paar Kiwischeiben mit Mayonnaise? Nein, halt, das brauchst du nicht zu beantworten. Mittlerweile kenne ich deinen seltsamen Appetit.“
„Du hast gut lachen“, stöhnte Serena. „Aber warte nur ab. Eines Tages hast auch du einen riesigen Kugelbauch und den Kühlschrank voller Mayonnaise.“
Das Lächeln erstarb auf ihren Lippen, als Tamsin das Buffet erreichte. Sie hatte ihre Chance auf Glück vor ein paar Wochen eigenhändig zerschmettert, als sie den Mann, der den Schlüssel dazu in seinen Händen hielt, so völlig falsch eingeschätzt hatte.
„Tamsin.“
Sie zuckte zusammen, Anchovis und Kiwis rutschten vom Teller auf den Buffettisch.
„Mein Liebling“, sagte Henry Calthorpe sanft. „Bitte, lauf nicht gleich weg. Ich wollte dir nur sagen, wie glücklich es mich macht, dich heute hier zu sehen. Ich weiß, jetzt ist weder die Zeit noch der Ort, aber ich will seit dem Tag, an dem du nach Hause gekommen bist, mit dir sprechen. Es tut mir leid. Ich habe alles falsch gemacht. Ich weiß das jetzt. Deine Mutter sagt immer, dass ich dich gehen lassen und deine eigenen Erfahrungen machen lassen muss – auch wenn du dabei auf die Nase fällst. Aber … das habe ich einmal getan und mir nie verziehen.“
Traurig schüttelte Tamsin den Kopf. „Es läuft immer auf den Unfall hinaus, nicht wahr?“
Henry nickte. „Ich trage die Schuld daran. Aber es hat mir auch gezeigt, wie zerbrechlich du unter deinem harten Äußeren bist, und wie sehr ich dich liebe. Ich wusste, es ist falsch, dich nach dem Unfall in Watte zu packen, doch ich hätte es nicht verkraftet zu sehen, wie du dich quälst. Ich wollte nur, dass es dir gut geht.“
„Du kannst die Welt nicht nach deinen Vorstellungen korrigieren, Dad.“
„Für einen Vater ist das ein sehr natürlicher Wunsch. Ich kann es nicht ertragen, dass dich jemand verletzen könnte.“
„Du hast mich verletzt“, erwiderte sie leise. „Du hast mir zu verstehen gegeben, dass du nicht glaubst, ich könne irgendein Ziel aus eigener Kraft erreichen … oder so geliebt werden, wie ich bin, mit meinen Narben.“
Ihre Kehle brannte von zurückgehaltenen Tränen. Sie dachte an den Morgen nach der Nacht voller Leidenschaft zurück, als Alejandro wie selbstverständlich ihren Ellenbogen geküsst hatte.
Wie hatte sie ihm nur so großes Unrecht antun können?
In einem winzigen Moment der Unsicherheit hatte sie automatisch das Schlimmste von ihm angenommen. Doch wie verkehrt ihre Einschätzung war, hatte sie gleich nach ihrer Rückkehr nach England erfahren. Alle Coronet-Aktien waren auf ihren Namen ausgestellt, und Sally war fort. Alejandro hatte – schneller als Tamsin – verstanden, was sich unmittelbar vor ihren Augen abspielte – und gehandelt. Sally war es, die sie betrogen hatte.
Nicht er.
„Nimmst du meine Entschuldigung an?“, drängte Henry.
„Es ist nicht deine Schuld“, gab sie zu. „Zumindest nicht alles. Aber du musst mir versprechen, dass du nicht …“
Sie hielt inne, weil Serena sich zu ihnen gesellte. „Ich sterbe vor Hunger“, grummelte sie. „Oh, verflixt, ich störe bei etwas Wichtigem, oder?“
Tamsin schüttelte den Kopf. „Nein, alles in Ordnung. Ich wollte Dad nur gerade warnen. Wenn er sich noch einmal in mein Leben einmischt, werde ich meinen Namen ändern und ans andere Ende der Welt ziehen.“
Henry und Serena tauschten vielsagende Blicke aus.
„Okay, das Spiel fängt gleich an“, sagte Serena betont fröhlich und schob Tamsin in Richtung Tür. „Wir sollten jetzt wirklich Simon finden. Er wird in der Loge seiner Firma sein und den Gratischampagner über Gebühr testen. Aber ich will nicht, dass er den Moment verpasst, wenn die Argentinier in deinen Trikots auflaufen, Tammy. Freust du dich darauf, sie zu sehen?“
Tamsin ließ sich von Serena durch die vielen Gänge des Stadions ziehen; in ihren Magen hatte sich ein überaus flaues Gefühl geschlichen.
Die Trikots, die sie noch nie gesehen und über deren Fertigstellung sie keinerlei Kontrolle gehabt hatte, weil auf keiner ihrer Anrufe von Alejandro reagiert worden war. Die Trikots, die sie in Gedanken an ihn entworfen hatte. Die Trikots, die Erinnerungen weckten, die wie Säure auf ihrer Seele brannten.
Alejandro legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Er lauschte den Gesängen der Fans im Stadion und zählte die verstreichenden Sekunden anhand seines
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