Spillover
man kann sie sich von seinem Hund zuziehen. Aber glücklicherweise kann man nicht nur Hunde, sondern auch Menschen entwurmen.
Die größten Probleme bereiten die Viren. Sie durchlaufen eine schnelle Evolution, sprechen nicht auf Antibiotika an, sind häufig schwer fassbar und wandlungsfähig. Sie können Krankheiten mit einer außerordentlich hohen Sterblichkeitsrate verursachen und sind zumindest im Vergleich zu anderen Organismen von heimtückischer Einfachheit. Ebola, West-Nil, Marburg, der SARS -Erreger, Affenpocken, Tollwut, Machupo, Dengue, Gelbfieber, Nipah, Hendra, Hantaan (der Namenspatron der Hantaviren, der erstmals in Korea nachgewiesen wurde), Chikungunya, Junin, Borna, die Influenzaviren und die verschiedenen HIV s ( HIV -1, das für den größten Teil der AIDS -Pandemie verantwortlich ist, und das weniger weit verbreitete HIV -2) – sie alle sind Viren. Insgesamt ist die Liste noch viel länger. Da gibt es einen Erreger mit dem malerischen Namen »Simian Foamy Virus« (deutsch etwa »Affen-Schaumvirus«, abgekürzt SFV ), der in Asien sowohl Affen als auch Menschen infiziert und an Stellen, an denen Menschen und halbzahme Makaken in engen Kontakt kommen (beispielsweise in buddhistischen und hinduistischen Tempeln), zwischen ihnen hin und her wechselt. Zu den Menschen, die solche Tempel besichtigen, die Affen mit Leckerbissen füttern und sich so dem SFV aussetzen, gehören auch Touristen. Und manche von ihnen nehmen dann nicht nur Fotos und Erinnerungen mit nach Hause. Wie der angesehene Virologe Stephen S. Morse einmal sagte: »Viren sind nicht zur Fortbewegung in der Lage, und doch sind viele von ihnen um die ganze Welt gereist.« 1 Sie lassen sich einfach mitnehmen.
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Die im Verborgenen leben
Den Hendra-Erreger zu isolieren, war die Aufgabe der Virologen in den Hochsicherheitslabors am AAHL . »Isolieren« bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man einige Viren »einfängt« und sie in größerer Zahl heranzüchtet. Das Ergebnis, Isolat genannt, ist eine im Labor lebende Viruspopulation, die gefährlich werden kann, wenn sie in die Freiheit entkommt, die ansonsten aber für die Forschung nützlich ist. Virusteilchen sind so klein, dass man sie nur im Elektronenmikroskop erkennen kann; dazu muss man sie allerdings abtöten, das heißt, während der Isolation kann man sie nur indirekt nachweisen. Als Ausgangsmaterial dient ein kleines Gewebestück, ein Tropfen Blut oder anderes Probenmaterial eines infizierten Opfers, von dem man hofft, dass es das Virus enthält. Diese Probe wird einer Kultur lebender Zellen in einer Nährflüssigkeit zugegeben wie ein Hefewürfel. Dann muss man die Kultur bebrüten, warten und beobachten. Häufig geschieht gar nichts. Dass es geklappt hat, weiß man, wenn die Zellkultur sichtbare Schäden davonträgt. Im Idealfall entstehen Plaques, große Löcher in der Kultur, von denen jedes einen Ort der von Viren verursachten Zerstörungen darstellt. Das ganze Verfahren erfordert Geduld, Erfahrung, teure Präzisionsinstrumente und peinlich genaue Vorkehrungen gegen Verunreinigungen (die zu falschen Ergebnissen führen können) und eine unabsichtliche Freisetzung der Erreger (die dann den Wissenschaftler infizieren, Mitarbeiter gefährden und vielleicht eine ganze Stadt in Panik versetzen können). Virusforscher sind in der Regel keine Angeber. Es kommt selten vor, dass sie in der Kneipe wild gestikulierend über die Gefahren ihres Fachgebiets schwadronieren. Meist sind sie konzentriert, nüchtern und wortkarg, ähnlich wie Atomingenieure.
Ganz anders geht man vor, wenn man herausfinden will, wo ein Virus in der freien Wildbahn lebt. Solche Arbeiten im Freiland sind mit weniger gut kontrollierbaren Risiken verbunden und ähneln eher dem Versuch, Grizzlybären einzufangen und umzusiedeln. Aber die Leute, die nach wilden Viren suchen, sind ebenso wenig polternde Raubeine wie die Spezialisten aus dem Labor; das können sie sich nicht leisten. Allerdings arbeiten sie in einer lauteren, unübersichtlicheren, unberechenbareren Umgebung: der wirklichen Welt. Wenn ein neues Virus die Menschen infiziert hat und wenn Anlass zu der Vermutung besteht, dass es sich (wie bei den meisten Viren) um einen zoonotischen Erreger handelt, führt die Suche unter Umständen in Wälder, Sümpfe, Äcker, alte Gemäuer, Kläranlagen, Höhlen und gelegentlich auch auf eine Pferdekoppel. Der Virusjäger ist Feldbiologe und sollte möglichst zusätzlich eine Ausbildung in Human- oder Tiermedizin,
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