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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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Leander Kern heißt nicht wirklich so. Aber der Name klingt gut. Und es gibt noch einen Grund, weshalb er sich so nennt.
    Darkwave.
    Er liebt die Dunkelheit in sich, sein schwarzes Herz. Er sieht es manchmal vor sich; es glänzt wie Teer.

    nacht verfolgt den tag
    der versteckt die gelüste
    die in mein herz gebrannt
    schatten der hoffnung
    ein abdruck des seins
    im rhythmus verbannt
    gefangene schatten
    im laub der sinne
    verborgene worte
    die stumm gemacht
    sind verlangen
    zu berühren
    moosumrandete nacht
    dein schritt durch hüllen
    ohne zeichen
    gebrochene stille
    der platz für dich
    Wenn er im Tötungsmodus ist – moosumrandete Nacht –, murmelt er die Zeilen vor sich hin, erst langsam und genüsslich, dann immer schneller, schließlich in einem keuchenden synkopischen Rhythmus. Wenn er im Tötungsmodus ist, tötet er nicht wirklich. Der Anfang sind immer Fantasien und dabei bleibt es dann auch, glaubt er. Fantasien sind nicht strafbar, solange sie im Kopf bleiben. Er begeht kein Verbrechen.Ab einem bestimmten Punkt kann er nur nicht immer unterscheiden, was gedacht und was von dem Gedachten umgesetzt wird. In der Welt außerhalb seiner Gedanken, in der stofflichen Welt, in der Pläne das Reißbrett verlassen, dreidimensional und lebendig werden und Konsequenzen haben, die nicht mehr beeinflussbar sind.
    Die Fantasien sind immer gleich. Nur der Weg zu ihrer Erfüllung variiert. Meistens sind es junge Ausreißerinnen, die Leander am Bahnhof anspricht und denen er ein warmes Essen oder Stoff verspricht – egal welchen, er richtet sich ganz nach ihren Vorlieben. Er stellt sich vor, wie das Mädchen mit ihm kommt, er sieht sie ganz deutlich vor sich: ihr verfilztes Haar, ihren metallischen Geruch nach ungewaschenen Klamotten, ihr schmales Gesicht, ihren mageren Körper, gezeichnet von Entbehrungen.
    Es ist ganz einfach, solche Mädchen aufzugabeln. Man sieht sie jeden Tag. Sie sind es von Kindheit an gewohnt, vernachlässigt, verachtet, missbraucht zu werden. Niemand hat sie je geliebt, sie kennen das Gefühl nicht, nach dem sie sich sehnen, und sie merken nicht, wenn jemand es ihnen vorspielt. Sie können zwischen Echt und Unecht nicht unterscheiden, sie sind naiv, vollkommen wehrlos und eine leichte Beute für ihn.
    Eigentlich tun sie ihm leid, aber das verflüchtigt sich, wenn er sich im Tötungsmodus befindet. Dann werden sie verdinglicht, dann kann er sie benutzen wie Spielzeug.
    Also nimmt er so ein Mädchen mit in eine heruntergekommene Wohnung am Hafen, die er für diese Zwecke angemietet hat, weil sie anonym ist. Er befiehlt ihr, sich eine halbe Stunde lang zu duschen, Zähne zu putzen, sich die Haare zu waschen und sie mit einer extra dafür vorgesehenen Friseurschere kinnlang abzuschneiden. Wenn sie danach rosig und wohlduftend vor ihm steht, kämmt und föhnt er ihr das Haar, bis es zu einem ordentlichen blonden Pagenkopf fällt. Zur Belohnung bekommt sie anschließend die Droge, die sie will und braucht.
    Und dann, wenn sie stoned ist und willenlos, schleppt er sie zurück in die Badewanne, um sie zu töten.
    Der Moment, in dem er das Messer an ihre Kehle setzt, ist geprägt von Gefühlen, die mit nichts – keiner Droge, keinem noch so wilden Sex – vergleichbar sind. Deshalb zögert er das Ende hinaus, solange er in der Lage ist, den unglaublichen, herrlichen Bildern, die ihn erregen und bedrängen, Widerstand zu leisten.
    Das Messer zittert an der Kehle, während das Mädchen halb bewusstlos und noch in seliger Ahnungslosigkeit vor sich hin döst, versunken in ihrem eigenen kleinen Paradies, das mit seinem nichts gemeinsam hat. Langsam ritzt er die Haut, einzelne Blutstropfen quellen hervor. Das Messer ist so scharf, dass das Mädchen noch nichts spürt, aber er weiß, das wird nicht so bleiben.
    Leander Kern blickt hoch und sieht sein Gesicht im Badezimmerspiegel: verzückt und wahnsinnig. Er starrt in seine dunklen Augen, die von den Pupillen vollkommen ausgefüllt werden. Der Dämon hat Besitz von ihm ergriffen. Er ist der Dämon. Es gibt jetzt keinen Weg mehr zurück, obwohl ihm der Gedanke kurz durch den Kopf schießt: Er ist bereits einmal gekommen, er hat seinen Spaß gehabt, die Lust hat sich für ein paar Minuten zurückgezogen, gibt ihn für kurze Zeit frei. Er könnte diese Gnadenfrist nutzen, das Mädchen einfach wieder anziehen, einen gefalteten Hunderter in ihre verdreckte Jeanstasche stecken und sie direkt vor der Wohnung auf die Straße setzen. Es ist nichts, absolut nichts

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