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Spione kuesst man nicht

Spione kuesst man nicht

Titel: Spione kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Carter
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nächste Morgen war die reinste Folter. Und das ist kein Wort, das ich in Anbetracht unserer Branche leichtfertig benutze. Vielleicht sollte ich den Satz neu formulieren: Der erste Unterrichtstag war eine Herausforderung.
    Wir gingen nicht gerade früh ins Bett – beziehungsweise später als sonst oder überhaupt nicht –, es sei denn, es gilt als Grundlage für eine gute Nachtruhe, dass der ganze zweite Jahrgang sich auf dem Kunstpelzteppich im Gemeinschaftsraum rekelt. Als Liz uns um sieben Uhr weckte, beschlossen wir, uns entweder noch eine Stunde lang zu verschönern und das Frühstück auszulassen, oder unsere Uniformen überzuwerfen und wie Königinnen zu speisen, bevor Professor Smiths LdW-Lektion um 8 Uhr 05 begann.
    V.S. (vor Solomon) hätten Waffeln und Bagels mit Sicherheit gesiegt. Aber heute hatte Professor Smith eine Menge Mädchen mit Eyeliner, glänzenden Lippen und knurrenden Mägen vor sich, die seiner Rede über die Bürgerunruhen in den baltischen Staaten lauschten, als 8 Uhr 30 heranrollte. Ich schaute auf meine Uhr, eine absolut sinnlose Geste in der Gallagher Akademie, weil die Unterrichtsstunden immer pünktlich anfangen und aufhören, aber ich wollte wissen, wie viele Sekunden noch zwischen mir und dem Mittagessen verstreichen würden (elftausendsiebenhundertundfünf, falls es jemanden interessiert).
    Als LdW vorbei war, rannten wir zwei Treppen hoch in den vierten Stock zu Madame Dabneys Kultur-und-Anpassungs-Unterricht (K+A), bei dem es diesmal leider keinen Tee gab. Dann war es Zeit für die dritte Stunde.
    Ich hatte Nackenschmerzen, weil ich schlecht geschlafen hatte, mindestens fünf Stunden Hausaufgaben vor mir und dieneu gewonnene Erkenntnis, dass eine Frau nicht nur von Lipgloss mit Kirschgeschmack leben kann. Ich langte tief in meine Tasche, fand ein äußerst fragwürdiges Pfefferminzbonbon und sagte mir, wenn ich schon verhungern müsste, dann doch lieber mit minzfrischem Atem. Es war ja immerhin möglich, dass eine Mitschülerin, eine Lehrerin oder ein Lehrer gezwungen wären, mir mit einer Herz-Lungen-Reanimation wieder auf die Beine zu helfen.
    Liz musste in Mr Mosckowitz’ Büro vorbeischauen und einen Aufsatz abgeben, den sie im Sommer verfasst hatte, um Bonuspunkte zu sammeln (ja, so ist sie eben). Ich war allein mit Bex unterwegs. Wir kamen am Fuß der großen Treppe an und betraten den kleinen Korridor – eine von drei Möglichkeiten, ins Untergeschoss zu gelangen, wo wir uns bisher noch nicht hatten aufhalten dürfen.
    Wir standen vor dem großen Spiegel und gaben uns Mühe, nicht zu zwinkern oder sonst was zu tun, das den optischen Scanner verwirren könnte, während er prüfte, ob wir tatsächlich zum zweiten Jahrgang gehörten und nicht zum ersten und uns als Mutprobe in den Keller schlichen. Ich betrachtete unser Spiegelbild und stellte fest, dass ich, Cameron Morgan, die Tochter der Schulleiterin, die mehr über die Schule wusste als jedes andere Gallagher Girl seit Gilly, bereit war, tiefer in die Gallagher-Geheimnisse einzudringen. Nach der Gänsehaut auf Bex’ Arm zu urteilen, war ich nicht die Einzige, der es bei diesem Gedanken kalt über den Rücken lief.
    In den Augen eines Gemäldes hinter uns blitzte ein grünes Licht. Der Spiegel glitt zur Seite, und ein kleiner Fahrstuhl tauchte auf, um uns noch einen Stock tiefer als das Untergeschoss zu transportieren, zum Klassenzimmer für dieGeheimoperationsstunde, und unserem ungewissen Schicksal zuzuführen.
    »Cammie«, sagte Bex gedehnt, »jetzt gibt es kein Zurück mehr.«
    Wir saßen ruhig da, schauten auf unsere (synchronisierten) Uhren und dachten alle das Gleiche: Irgendwas ist eindeutig anders.
    Das Gallagher-Haus ist aus Stein und Holz gebaut. Es hat geschnitzte Treppengeländer und riesige Kamine, vor denen sich ein Mädchen an Tagen, an denen es heftig schneit, zusammenrollen und nachlesen kann, wer JFK getötet hat (die wahre Geschichte), aber dieser Fahrstuhl hatte uns in einen Raum gebracht, der nicht in das gleiche Jahrhundert und erst recht nicht zum Baustil des restlichen Gebäudes passte. Die Wände bestanden aus Milchglasscheiben. Die Tische waren aus rostfreiem Stahl. Aber das Merkwürdigste am Klassenzimmer für das Fach Geheimoperationen war die Tatsache, dass unser Lehrer nicht zu sehen war.
    Joe Solomon kam zu spät – so spät, dass ich mich ärgerte, mir nicht die Zeit genommen zu haben, ein paar M&Ms vom Schreibtisch meiner Mutter zu klauen, weil ein zwei Jahre altes Tic Tac den

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