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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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der Mond ihre Züge erhellte, da war ich überrascht und fühlte mich unversehens in eine ferne Vergangenheit versetzt. Diese Frau sprach etwas in mir an, das im Unterbewusstsein schlummerte. In ihrer Schönheit erinnerte sie mich an eine Pharaonenprinzessin oder etwas in dieser Art; eine Frau, mehr Engel als Mensch, jedenfalls etwas ganz Besonderes.
    Gelassen nahm die Schöne den Blick von mir und wandte die Augen wieder ihrem Begleiter zu. Auch ich starrte von Neuem auf die dunkle See hinaus, damit ich nicht neugierig oder aufdringlich wirkte. Sobald ich einen weiteren Blick riskiert hatte, war das Paar verschwunden, trotz der Kürze des ganzen Eindrucks war mir, als hätte ich soeben etwas völlig Neues und noch nie Dagewesenes erlebt.
    Kurz darauf stieß die ›Bremen‹ ein Signal aus allen fünf Hörnern gleichzeitig aus. In majestätischer Ruhe trat der Liner seinen Weg aus dem Hafenbecken hinaus an, während ich zusehen konnte, wie die Wasserfläche zwischen Schiff und Land immer größer wurde, die winkenden Menschen am Kai immer kleiner. Die Lichter von Bremerhaven verblassten allmählich.
    Meine Kabine war ein angenehmer, mit hellem Kirschholz möblierter Raum, dessen runde Fenster Ausblick auf das Meer gewährten. Draußen schimmerte silbernes Mondlicht auf den sanften, nachtschwarzen Wellen. Der tanzende Widerschein des Wassers erfüllte mich trotz seiner Stille mit einer gewissen Unruhe, ein Vorbote meines beginnenden Aufbruchs ins Ungewisse.
    Ich ging bald schlafen, und sowie ich am nächsten Morgen nach dem Frühstück über Deck spazierte, lag der Atlantik in hellem Sonnenschein, außerdem war die Luft, wie mir einige Mitreisende mit gewichtiger Miene versicherten, für die Jahreszeit ganz außergewöhnlich mild.
    Mehrere Stunden verbrachte ich mit der Besichtigung des Schiffes und erforschte die vier durchgehenden Decks, die Halbdecks im Rumpf und die weiteren Decks, die es in den Aufbauten des Mittelschiffs gab. Im Innern des Ozeanriesen entdeckte ich ein Schwimmbad, außerdem ein ägyptisches Dampfbad sowie einen Turnsaal, in dem moderne mechanische Geräte auf sportliche Benutzer warteten. Ich versuchte mich an sämtlichen Geräten, drehte ein paar Runden im kalten Wasser und schwitzte zwischendurch unter den gleichgültigen Augen einer hölzernen Sphinx vor mich hin. Dann endlich fühlte ich, wie die Anspannung der vergangenen Tage und Wochen, die ich mit an Bord geschleppt hatte, langsam von mir abzufallen begann.
    Den Nachmittag brachte ich in einem der vielen Gesellschaftsräume mit Lesen zu. Ich hatte mir Schopenhauers ›Die Welt als Wille und Vorstellung‹ als Reiselektüre zugedacht und mir außerdem den ›Old Surehand‹ von Karl May ins Reisegepäck gesteckt, weil ich auch etwas Leichteres zur Entspannung benötigte. Die Aussicht auf diese Reise nach Amerika hatte die Träume meiner Jugend neu belebt, und zu meiner Zufriedenheit stellte ich fest, dass mich ein Buch, das ich nun nach mehr als 30 Jahren ein zweites Mal las, erneut zu fesseln vermochte.
    Das Schiff erreichte an diesem Tag die französische Stadt Cherbourg, die aus der Ferne einem malerischen Fischerdorf glich. Nachdem dort die französischen Passagiere zugestiegen waren, nahm der Liner endgültig Kurs auf den Atlantik.
    Ein Stück westlich von Cherbourg steigerte die ›Bremen‹ ihre Geschwindigkeit in geradezu dramatischer Weise, als wollte sie demonstrieren, dass sie zu Recht das blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung trug und ein weiterer Geschwindigkeitsrekord im Bereich des Möglichen lag. Da sich die Weiten des Atlantiks von ihrer freundlichsten Seite präsentierten, bestand nach der übereinstimmend bekundeten Meinung vieler Passagiere gute Aussicht, dass die ›Bremen‹ die Strecke nach New York binnen vier Tage hinter sich bringen würde.
    Das fantastische Sonnenwetter dauerte auch den zweiten Reisetag über an. Die See war ruhig, der Atlantik ergreifend grün, und als Mensch vom flachen Lande, der nicht wusste, wie schnell sich auf dem Meer die Großwetterlage verändern konnte, mochte ich wohl glauben, dass das angenehme Wetter für den Rest der Reise gesichert war. Die Reisenden und das Bordpersonal hatten alle gute Laune. Auch deshalb versprach die Fahrt nach Westen ein durchgehend entspanntes Vergnügen zu werden.
    Bei den Mahlzeiten saß ich mit einer gewissen Frau von Tryska am Tisch, die am ersten Reisetag beim Mittagessen auf der Suche nach einem freien Platz an meinen Tisch geeilt

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