Spittelmarkt
gehabt – aber das rettet dich noch nicht«, sprach er, ließ jedoch das Messer sinken.
Langsam wurde mir klar, dass die Sache hier kein unglücklicher Zufall war. Die beiden mussten einen Auftraggeber haben, der sie auf mich angesetzt hatte, sodass sie mir nahe meiner Wohnung hatten auflauern können. Diese Erkenntnis bestärkte mich allerdings in der Hoffnung, dass Aussicht bestand, die Sache lebend zu überstehen, wenn ich bloß keinen Fehler beging.
Ich fragte: »Was muss ich tun?«
»Immer die richtige Entscheidung treffen«, sagte der Drahtige heiser in seiner spöttischen Art, während sein Kumpan, der ein paar Schritte zurückgetreten war und dessen Gesicht ich noch nicht hatte studieren können, nachhaltig schwieg. »Triffst du die falsche Entscheidung –«, er begann wieder mit dem Messer zu hantieren, »so verlässt dich auch dein letztes bisschen Glück!«
»Falsche Entscheidung? Ich verstehe nicht …«
Anstelle einer Erklärung blickte der Drahtige nun zu seinem urwüchsigen Kumpan. Der trat vor und schlug mir kommentarlos seine rechte Faust in den Bauch. Ich stürzte zu Boden und rang nach Luft. Der Schläger packte mich sofort mit den Quadrathänden und stellte mich wieder auf die Füße.
»Du verstehst nicht?«, hakte das Rattengesicht nach.
Endlich schaffte ich es, etwas zu sagen. »Doch, ja doch, natürlich, ich verstehe!«
»Gut so! Du hast eine schnelle Auffassungsgabe«, bemerkte der Strolch. »Hoffentlich bleibt sie dir erhalten! Das hoffst du doch auch?«
Ich nickte. »Ja, gewiss!«
»Wenn also jemand zu dir kommt und will, dass du als Anwalt etwas für ihn tust. Was machst du dann?«
Ich erwiderte nichts, worauf der Drahtige den Kopf wieder zur Seite wandte. Bevor er etwas tun konnte, erwiderte ich schnell: »Was man von mir verlangt.«
Er lächelte. »Rrrichtig! Und fang gleich morgen damit an, hörst du! Falls du es wieder vergessen solltest«, er hob das Messer, warf es wie ein Jongleur in die Luft und fing es am Griff wieder auf, »kommen wir uns dein Arierblut holen – und diesmal nehmen wir uns davon mehr als bloß ein paar Spritzer, verlass dich drauf!«
Er klappte das Messer zusammen, machte seinem Kumpan ein Zeichen, der holte aus und hieb mir zum Abschied ein weiteres Mal die kräftige Faust in den Bauch.
Ich sackte zusammen und kam erst wieder hoch, als ich das Gefühl hatte, fast schon erstickt zu sein. Während ich mit dem Rücken gegen die Brückenmauer lehnte und keuchend auf das Lichterglitzern des schwarzen Wassers starrte, hatten sich die beiden Schurken längst davongemacht. Die Börse mit dem Geld hatten sie mir gelassen.
Der Auftrag, nach New York zu reisen, erreichte mich eine Woche nach dem Vorfall am Landwehrkanal. Auftraggeber war Philipp Arnheim, Chef der Berliner Delbrück Bank.
Wir saßen in meinem Büro, als wir über die Sache sprachen. Außer Philipp Arnheim und mir war Johannes Haller zugegen, mein Seniorpartner in der Anwaltskanzlei, dessen langjähriger Mandant Arnheim war.
»Am liebsten wäre ich selbst nach New York gereist, aber Florence will mich nicht sehen«, bedauerte der Bankier. »Zu Ihnen, Herr Goltz, schrieb sie mir, hätte sie Vertrauen. Sie haben freie Hand, was eine Scheidungsregelung angeht – mit einer einzigen Ausnahme: Florence muss das Dokument zurückgeben, das sie mir entwendet hat; doch wie sie mir bereits in ihrem Brief mitteilte, ist sie dazu bereit.«
Arnheim war ein schlanker, selbstbewusster Mann, dem seine hervortretenden Wangenknochen und die bräunliche Haut, die sich über den glatt rasierten Schädel spannte, ein leicht exotisches Aussehen gaben. Er trug einen dunklen Anzug und ein feines Hemd mit Manschetten, seine herausragende Stellung war ihm nicht anzusehen; das Gebaren des Eigners einer großen Bank hätte man sich irgendwie formeller und nicht so salopp wie das seinige vorgestellt.
»Warum schickt Florence das Dokument denn nicht mit der Post?«, fragte ich ihn.
»Nein! Das ist viel zu unsicher! Ich brauche einen vertrauenswürdigen Kurier«, erwiderte Arnheim. »Und dieser Kurier müssen Sie sein, Herr Goltz!«
»Um was für eine Art von Dokument handelt es sich denn?«
Der Bankier winkte ab. »Es handelt sich um den Brief eines ausländischen Partners, eher privater Natur, der auf keinen Fall an die Öffentlichkeit gelangen darf, insbesondere soll Fairchild in New York, unser wichtigster Geschäftspartner in den Vereinigten Staaten, ihn nicht in die Hände bekommen.«
»Wir können es uns
Weitere Kostenlose Bücher