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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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Augen. Schon besser, stellte sie fest, und wunderte sich. Wie konnte es angehen, dass allein offene Augen Schwindel zuließen, selbst wenn sie nichts sahen? Zu dumm, dass niemand da war, den sie fragen konnte, um welches Phänomen es sich handelte, falls es eines war und nicht überhaupt Einbildung.
    Ihre Schuhe waren ihr abhandengekommen, merkte sie, der Boden war kalt. Sie streckte die Arme vor und bewegte sich nach rechts an der Matratze entlang. Ihr linker Fuß streifte etwas, und sie zog ihn zurück. Zu spät, was immer es war, fiel um, klirrte verloren in der Stille. Sie hielt inne und lauschte angestrengt. Nichts. Plötzlich wurde sie ihrer nassen Füße gewahr, hatte sie also ein Wasserglas umgestoßen. Was für eine Scheiße ist das hier!, fluchte sie innerlich, den Teufel würde sie tun, hier barfuß herumzuirren, wer wusste schon, was sonst noch für Überraschungen auf sie warteten. Dieses bekloppte Spiel kam ihr in den Sinn, bei dem man mit verbundenen Augen verschiedenes Zeug kosten musste, um es zu benennen, und irgendwann hatte man unweigerlich Seife im Mund, und alle lachten, dabei war nichts daran komisch, aber auch gar nichts. War das noch heute der Brüller auf Kindergeburtstagen?, überlegte sie. Eher nicht. Konsum war angesagt, die Party bei McDonald’s, der engagierte Zauberkünstler – ihre Schwester lebte ihr diesen Trend vor.
    Sie schlurfte vorsichtig weiter, erreichte die Kante der Matratze und wandte sich neuerlich nach rechts. »Die Maus hat nasse Strümpfe an«, ich bin keine Maus, oder doch? Und wo war die Katze? Nein, das war falsch, die Maus hat rote Strümpfe an und stapft fröhlich mit Tiger und Bär durch die Gegend, wenn sie sich recht erinnerte. Sie mochte Kinderbücher, ihre heile Welt, in der alles möglich war, aber sie war sich nicht länger sicher, ob sie Kinder mochte, obwohl sie immer welche hatte haben wollen. Und was sie ganz sicher nicht mochte, war die Kaste der Eltern, besonders der Mütter. Ihre ausgestreckten Hände stießen an eine Wand. Dein Problem liegt ganz woanders, rief sie sich zur Ordnung, konzentrier dich endlich.
    Die Wand war kalt, rau wie von Kreide, Kalk vermutlich. Schwarzes Theater, bei dem weiße Hände eine Wand suggerieren, die nicht vorhanden ist. Aber dies war kein Theater, die Wand real, bröckelige Risse oder Fugen, die sie mit bloßen Fingern nicht erkunden würde. Sie gab den Kontakt zu ihrem Lager auf und schob sich weiter, bis ihre linke Hand auf einmal ins Leere griff. Ein Durchgang. Sie streckte den Arm aus, um sich zu vergewissern, ja, eine Tür ohne Tür. Und der Raum dahinter gefliest, ein Badezimmer? Sie tastete nach einem Lichtschalter, fand ihn auch, einer von diesen altmodischen zum Drehen. Licht, dachte sie, endlich, und drehte den Schalter ein ums andere Mal, doch kein Licht erfüllte den Raum, nur dieses höhnisch klickernde Ratschen. Sie legte den Kopf in den Nacken und atmete frustriert aus, merkte erst jetzt, dass sie die Luft angehalten hatte. Blinde Kuh, dachte sie, auch so ein blödes Spiel, aber wessen Spiel und nach welchen Regeln?
    Sie beugte sich vor, ließ die Hände durch die Luft gleiten, als handelte es sich um Wasser. Trockenübungen, die, könnte jemand sie sehen, sicher der Erheiterung dienten. Sie stieß sich heftig an Porzellan. Ein Waschbecken, immerhin hatte ihr Instinkt sie nicht getrogen. Sie zog die Füße hinterher, drehte den Hahn auf, wölbte die Hand, um Wasser zu schöpfen, drehte bis zum Anschlag, und dennoch gab der Hahn nur ein trockenes Fauchen von sich. Ich werde ganz eindeutig verarscht, dachte sie, noch immer nur mäßig beunruhigt, und bückte sich, um nach dem Haupthahn zu tasten. Den es nicht gab.
    »Okay«, sagte sie »ihr habt gewonnen, jetzt lasst mich nach Hause.« Sie stützte sich auf das Becken und starrte an die Stelle, an der ein Spiegel hängen sollte: Sie sah müde aus, sicherlich, und sie wollte weiterschlafen, um irgendwann aus diesem Traum zu erwachen. Warum fühlte es sich nicht an wie ein Albtraum, fragte sie sich, denn das war es doch, ein beängstigender Traum, wenn nicht schreckliche Realität. Aber sie hatte keine Angst. Sie war einfach total genervt.
    Sie wandte sich ab, um ihre Erkundung fortzusetzen, streifte mit dem Knie die Toilette und erleichterte sich. Wenn ich schon mal da bin, dachte sie und wunderte sich, dass es hier tatsächlich Klopapier gab, dass die Spülung funktionierte. Sie streckte die Arme aus, nur um sicherzugehen, dass sie nichts übersehen

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