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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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gehen davon aus, dass es ein Bestattungsschiff ist, auch wenn so weit nördlich noch nie eines gefunden wurde. Sobald es zur Gänze geborgen ist, werden wir mehr wissen.“ Berit hob die Hand und winkte einer Gruppe Männer zu, die hinter dem Schiff auftauchte.
    Das Gelände war großräumig abgesperrt worden, auch nachts standen Wachposten bereit, wie Berit ihr auf der Fahrt vom Flugplatz hierher erklärt hatte.
    Der Name Flugplatz schmeichelte der Anlage enorm. Sie bestand aus einer geteerten Start-Landebahn mit einer Holzhütte, die gleichzeitig als Tower, Abfertigungshalle, Souvenirshop und Café diente. Über der Tür hing ein Schild, das irgendwann einmal blau gewesen sein musste, mittlerweile aber so verwittert war, dass man das aufgemalte „Willkommen auf Bjørendahl“ nur mit Mühe entziffern konnte.
    Bis vor drei Tagen hatte Tessa von Bjørendahls Existenz nichts gewusst. Dann rief Berit an und schilderte ihr mit aufgeregter Stimme den archäologischen Fund des Jahrhunderts. Auf einer Insel nördlich der Lofoten war durch das Schmelzen der Gletscher ein Wikingerschiff zutage getreten. Und in ihrer Eigenschaft als Historikerin und Aufsichtsratsmitglied im „International Trust for Viking Culture“ hatte Berit Olsen die Universitätsdozentin Tessa Wernhardt für das Projekt angefordert. Sie hatten schon öfters zusammengearbeitet, bei der Organisation von Ausstellungen in Norwegen, in den USA und Kanada. Tessas Spezialgebiet waren die Wikingerbegräbnisrituale, die sich nach Land und Epoche unterschieden. Berit hatte sich auf Gegenstände des Alltagslebens und deren Rekonstruktion konzentriert. Darüber hinaus war sie im Auftrag zweier Museen weltweit unterwegs, um Artefakte von privaten Eigentümern zurück in die Heimat zu holen. Etwas, das ihr nicht zuletzt wegen ihres anziehenden Äußeren immer wieder erfolgreich gelang. Die vorwiegend männlichen Besitzer von Wikinger-Reliquien erblickten nur das kleine, wohlgeformte Persönchen mit den engelsgleichen Locken und den babyblauen Augen, das an urzeitliche Schutzinstinkte appellierte. Und ehe sie es sich versahen, hatten sie den Armreif, den Runenstein oder den Hornkamm gegen einen Scheck und ein gehauchtes „Dankeschön“ getauscht.
    Im Gegensatz zu Berit lebte Tessa ein geradezu unspektakuläres Leben. So unspektakulär wie langweilig. Sie arbeitete am Institut für Skandinavistik in Hamburg, lebte alleine und hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder geschafft, selbst lose Freundschaften erfolgreich in den Sand zu setzen.
    Berits Anruf hatte eine willkommene Abwechslung in ihrem Alltagstrott dargestellt und der Flug von Narvik nach Bjöhrendahl in einer altersschwachen Propellermaschine glich einem jener Abenteuer, von denen sie sonst nur in Büchern las.
    Die Insel war zu zwei Drittel von Eis und Gletschern bedeckt, nur an der Süd und Ostseite gab es Vegetation. Ganz Bjørendahl stand unter Naturschutz, die Einwohnerzahl betrug knapp 3000, Tendenz sinkend. Im Sommer kam die zehnfache Menge Touristen her, um sich an den Naturschönheiten zu erfreuen. Sie stellten die Haupteinnahmequelle für die Inselbewohner dar, das behauptete zumindest der Reiseführer, den Tessa am Flughafen in Hamburg gekauft hatte.
    Die Gruppe Männer erreichte den geschotterten Parkplatz, auf dem Berits Jeep stand. Sie trugen Overalls und Grubenhelme mit Lampen, die sie beim Gehen abnahmen.
    „Tessa, das ist das Bergungsteam.“ Berit wandte sich an einen groß gewachsenen Mann mit rötlich blondem Haar. „Hendrik Solberg, der Teamleiter. Dr. Tessa Weinhardt, Dozentin aus Hamburg und unschlagbar, was Begräbnisrituale der Wikingerzeit angeht.“
    „Hi Tessa.“ Der Mann lächelte und hielt ihre Hand einen Moment länger fest als nötig. „Berit hat mir schon von dir erzählt.“
    „Oh weh.“ Tessa verdrehte die Augen. „Wieder alle Chancen dahin.“
    Das Lächeln des Mannes vertiefte sich. „Ach, ich bin hart im Nehmen.“
    Tessa wurde rot. Sie konnte nichts dagegen tun. Sie konnte nie etwas dagegen tun, dass sie auch mit 32 Jahren bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten anlief wie ein pickeliger Teenager, der seiner Lieblingspopgruppe gegenüberstand. Und obwohl die Worte des Mannes eindeutig zweideutig gemeint waren, bestand für eine erwachsene Frau des 3. Jahrtausends kein Grund, darauf zu reagieren, als würde sie diese Worte auch nur einen Moment lang ernst nehmen. Eine passende, flapsige Antwort wäre angebracht, nur wollte sich diese wie

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