Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
Vom Netzwerk:
Kaffeebecher.
    Nach und nach füllte sich der Raum mit den Frühstücksgästen. Nicht nur die Männer vom Berge-team gehörten dazu, sondern auch ein knappes Dutzend Naturfreunde, eindeutig erkennbar an Wanderschuhen, Trekkinghosen sowie handgestrickten Norwegerpullovern und dicken Socken.
    Hendrik setzte sich Tessa gegenüber. „Hast du Nick wegen des Fax gefragt?“, erkundigte er sich bei Berit, während er sein Brötchen mit Butter bestrich.
    „Nein“, antwortete sie. „Ich war damit beschäftigt, ihm die Unzulänglichkeiten seiner Herberge um die Ohren zu knallen.“
    Hendrik grinste. „Und da bist du schon fertig?“
    Nicolas Dayton ging mit einem Teller Rührei am Tisch vorbei, das er einer älteren Dame ohne die leiseste Grandezza servierte. Auf dem Rückweg hielt ihn Hendrik am Ärmel fest. „Wir erwarten ein Fax. Ist es schon angekommen?“
    „Keine Ahnung, ich kann nicht Frühstückskoch und Sekretärin gleichzeitig sein. Sie werden sich gedulden müssen, bis die hungrigen Mägen gefüllt sind.“ Er nahm Tessas leeres Glas ohne zu fragen an sich, und ging zurück in die Küche.
    „Wir sollten ihm ein bisschen was zu tun geben“, bemerkte Hendrik und zwinkerte Berit zu. „Lust auf ein zweieinhalb Minuten Ei?“
    „Damit kriegst du ihn nicht. Ganz gleich, was du bestellst, du bekommst immer ein steinhartes, kaltes Ei. Ich bin zwei Tage länger hier als du, glaub mir, ich hab’s ausprobiert.“ Berit stand auf, um sich eine zweite Tasse Kaffee zu holen.
    „Isst du nichts?“, fragte Hendrik und Tessa schüttelte den Kopf. „Ich bekomme morgens nichts runter. Nur Kaffee.“
    „Lass dir ein Lunchpaket zusammenstellen“, meinte er. „Draußen beim Schiff gibt’s dann nichts mehr.“
    „Mister Dayton wird über diese Idee sicher entzückt sein.“
    Hendrik lachte. „Keine Frage.“
    So war es dann auch. Nicolas Daytons Augenbrauen verschwanden fast im Haaransatz, als sie ihr Anliegen vorbrachte, aber er sagte nichts.
    Natürlich auch nicht ja.
    Schließlich gingen sie nochmals nach oben, um sich fertigzumachen. Tessa nahm die Digicam, ihr Diktiergerät und das Kästchen mit den Zeichenutensilien. Sie war schon auf dem Weg, als ihr einfiel, dass sie ihren Reisepass vorlegen sollte.
    Vor dem Rezeptionstisch standen zwei deutsche Ehepaare, die einen Mietwagen reserviert hatten. Die vier unterhielten sich miteinander, und zu Tessas Überraschung, verabschiedete Nicolas Dayton sie in ebenso akzentfreiem Deutsch, wie er beim Frühstück Norwegisch gesprochen hatte.
    Als er sie sah, schob er ihr das Gästeformular samt einem Stift hinüber und ging mit ihrem Reisepass zum Kopierer. „Sie sprechen wirklich sehr gut deutsch“, sagte sie, während sie das Blatt ausfüllte. Er erwiderte nichts, sondern setzte sich wieder auf seinen Platz.
    Tessa reichte ihm das Formular und nahm ihren Pass. Sie wandte sich zum Gehen, aber seine Stimme hielt sie zurück. „Ihr Lunchpaket.“
    Daran hatte sie gar nicht mehr gedacht. „Danke.“ Sie griff nach der Tüte und dabei begegneten sich ihre Blicke. Ein Schauer lief über ihren Rücken. Das waren keine Kontaktlinsen. „Ist … ist irgendetwas mit Ihren Augen?“, fragte sie vorsichtig und spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Es ging sie nichts an und man fragte solche Dinge einfach nicht als zivilisierter Mitteleuropäer. Aber ihre Neugier hatte über die anerzogenen Benimmregeln gesiegt.
    Er verzog keine Miene. „Ich sehe Menschen“, sagte er mit dumpfer, bedrohlicher Stimme, die ihre Gänsehaut verstärkte und, blickte an ihr vorbei zum Eingang, wo Berit mit dem Bergungsteam stand. „Menschen, die ich nicht sehen will.“
    Sie brauchte einen Moment, bis sie verstand. Dann wandte sie sich brüsk ab und ging zu den anderen. Egal, ob er Amerikaner war oder ein Alien vom letzten Planeten der Milchstraße, ein Widerling ersten Ranges war er auf jeden Fall.

drei
     
    Während der Fahrt zum Schiff erzählte Berit, dass das Gutachten des Geologen noch immer nicht angekommen war, genauso wenig wie jenes des Statikers.
    „Wir können also nicht viel mehr machen, als mit der Pinzette die Eisstücke entfernen“, stellte Berit verstimmt fest.
    „Ich will ohnehin nur fotografieren und mir die Bootsfigur genauer ansehen.“
    Obwohl das Gelände rund um das Wikingerschiff abgesperrt worden war, drängten sich zahlreiche Schaulustige an den Absperrungen und die beiden Wachposten hatten Mühe, sie in Schach zu halten. Erst nach mehrmaligem Hupen gaben die

Weitere Kostenlose Bücher