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Stachelzart

Stachelzart

Titel: Stachelzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Wollesen
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versuchte meine lockigen braunen Haare wenigstens etwas zu bändigen – ohne wirklichen Erfolg. Seufzend band ich meine Mähne mit einem Haargummi zusammen. Ich mochte meine Haare eigentlich, aber wenn sie nicht jeden Tag gewaschen und glatt geföhnt wurden, waren sie nur schwer in den Griff zu bekommen. Mit meinem Äußeren würde ich heute wohl nicht bei Vera punkten können.
    Dreißig Minuten würde die Fahrt zu Veras schicker Penthouse-Wohnung in Berlin-Mitte dauern. Ich musste mich also beeilen, denn sie würde mich exakt eine dreiviertel Stunde nach unserem Telefonat erwarten. Und Vera hasste Unpünktlichkeit.
    Ich beschloss deshalb lieber die S-Bahn zu nehmen. Mit dem Auto wusste man in Berlin nie, ob man auch pünktlich ankommen würde und einen Parkplatz am Samstagabend in Veras Wohngegend nahe der Friedrichstraße zu finden, war auch nicht besonders leicht.
    Die S-Bahn fuhr glücklicherweise unweit meiner Wohnung ab, sodass ich nicht noch einen langen Fußweg in Kauf nehmen musste. Dreißig Minuten Fahrzeit in die City wäre für Vera schon eine Weltreise gewesen. Sie konnte nicht verstehen, warum ich mir eine Wohnung am Rande von Berlin ausgesucht hatte. Ich hingegen liebte meine Wohngegend. Alles war noch ein bisschen dörflicher und es gab ein großes Waldgebiet, in dem man stundenlang spazieren gehen konnte. Hier hatte ich sogar schon Füchse und Wildschweine beobachtet. Ruhe und Natur waren für mich das Wichtigste, um entspannen zu können. Und noch einen Vorteil hatte diese Gegend: Vera kam mich so weit entfernt von der Innenstadt nur höchst selten besuchen.
    Drei Minuten vor Ablauf der 45-Minuten-Frist klingelte ich an Veras Haustüre. Vera drückte den Summer und ich fuhr mit dem Fahrstuhl in die fünfte Etage. Vera stand schon im Türrahmen, als ich aus dem Aufzug stieg.
    „Du bist ja richtig pünktlich!“, begrüßte sie mich. „Toll, dass du so schnell kommen konntest!“
    Und mit einem kritischen Blick auf meine Haare fügte sie noch hinzu: „Aber irgendetwas solltest du dir mal mit deinen Haaren einfallen lassen ...“
    „Hallo Vera“, seufzte ich und folgte ihr in die Wohnung.
    „Mach es dir doch gemütlich!“ Mit einer Handbewegung deutete Vera auf ihr Sofa. „Die Couch ist ganz neu, ein echtes Designerstück von Ludolf Lenz. Schick nicht wahr?“
    Zweifelnd musterte ich das gute Stück. Dass das „Gemütlich machen“ auf diesem Sofa möglich sein würde, wagte ich zu bezweifeln. Und Ludolf Lenz war mir auch absolut kein Begriff. Aber von gerade angesagten Möbeldesignern hatte ich auch so viel Ahnung wie ein Elefant vom Schlittschuhlaufen.
    Gemütliche Sitzgelegenheiten mussten meiner Meinung nach breit sein und ausladend und natürlich kuschelig weich. Am besten mit ganz vielen kleinen Kissen in hübschen Farben. So dass man schon beim Hinsehen Lust bekam, sich darauf zu fläzen und stundenlang zu lesen oder fern zu sehen und dabei Schokolade und Chips zu essen.
    Veras Couch hingegen sah furchtbar ungemütlich aus. Sie war viel zu schmal, um sich darauf auszustrecken und Kissen zum Kuscheln gab es auch nicht. Stattdessen bedeckte ein durchsichtiger Plastikschonbezug die Sitzfläche. Ich hatte mich immer gefragt, was für Leute das waren, die Plastikbezüge auf ihre Couch legten. Jetzt hatte ich die Antwort: Leute wie Vera.
    Unglücklich betrachtete ich Veras Sitzgelegenheit.
    „Kann ich diesen Schonbezug vielleicht abnehmen?“, fragte ich.
    „Was? Nein, um Gotteswillen, dann machst du mit deiner Jeans ja mein schönes Sofa kaputt!“ Vera sah mich entgeistert an.
    Schön ist ein sehr dehnbarer Begriff, dachte ich. Ich würde eine silberfarbene, unbequeme Ledercouch nicht als schön bezeichnen.
    Überhaupt hatten Vera und ich einen derart unterschiedlichen Geschmack, dass niemand vermutet hätte, dass wir auch nur im entferntesten Sinne miteinander verwandt sein konnten.
    Ich war ein wild-chaotischer Typ mit einem Hang zur Romantik, liebte knallige Farben, ausgefallene Muster und ungewöhnliche Details. Bei Liebesfilmen verbrauchte ich manchmal eine ganze Packung Taschentücher. Und auch was Männer anging mochte ich eher den liebenswerten Chaoten. Knallharte Geschäftsmänner waren nichts für mich.
    Vera war das genaue Gegenteil von mir. Sie stand auf kühle Farben, würde sich nur unter Protest einen Liebesfilm ansehen und war die geborene Geschäftsfrau. Alles, was sie machte, war berechnend. Da konnte kaum ein Mann mithalten. Deshalb lebte sie schon seit mehreren Jahren

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