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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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für aberwitzig. Aber sie war der Meinung, besser eine aberwitzige Idee als gar keine.
    Ein paar Tage später waren sie in der Küche zusammen und Crestina war soeben dabei, einen Fisch zuzubereiten.
    »Wann und wo sieht sie ihn denn überhaupt?«, wollte Margarete wissen und begann, ein paar Eier in eine Schüssel zu schlagen.
    »Sie stöberte ihn regelrecht auf«, sagte Crestina erregt und hackte dabei die Petersilie so heftig, dass die Hälfte davon auf den Boden fiel. »In der Stadt. In irgendwelchen Druckereien, sogar in der limonaia . Stell dir vor, sie erzählt ihm, dass es dort irgendwelche kostbaren Manuskripte gibt, und Moise glaubt ihr. Fährt mit ihr dorthin und hat dann Mühe, meine Tochter abzuschütteln. Wie eine Laus aus dem Pelz zu nehmen. Und Bianca kommt zurück voller Zorn und lügt das Blaue vom Himmel: Moise habe sie geschlagen. Ein Jude, der eine Frau schlägt! Wo gibt's denn so etwas? Manchmal habe ich inzwischen schon die verrücktesten Ideen!«
    »Und welche sind das?«
    »Sie sind so verrückt, dass ich sie nicht einmal aussprechen mag.«
    »Nun, mir kannst du sie doch sicher sagen«, meinte Margarete süffisant lächelnd. »Erinnerst du dich noch an Nürnberg? Meine gesamte Familie hielt mich für verrückt. Und ich denke, sie hat ihre Meinung bis heute kaum geändert.«
    »Du, du hast neulich mal«, Crestina stockte, »nun, du hast neulich mal erwähnt, dass du dir schon mal überlegt hättest, ob du nicht selber einmal in dieses so gelobte Weihrauchland gehen könntest.«
    Margarete lachte.
    »Willst du etwa, dass ich sie mitnehme?«
    »Nun, ich denke mir eben, dass meine Tochter Abenteuer sucht. Ganz offensichtlich ist ja dieses Judentum für sie auch so etwas wie ein Abenteuer.«
    »Das ist schon möglich, du hast ihr ja nie eines gelassen«, sagte Margarete und sah die Freundin prüfend an. »Sie hatte auch nie Verantwortung zu tragen.«
    »Sie durfte immerhin allein nach Pellestrina zu ihrer Tante fahren«, empörte sich Crestina.
    »Ja, mit einem Beiboot und zwei Aufpassern. Als sie denen am zweiten Tag entwischte, weil sie die Insel allein erkunden wollte und die Aufpasser sie dabei in der Werkstatt eines Bootsbauers aufstöberten, wurde sie auf dem schnellsten Weg zurückbefördert nach Venedig. Obwohl du ihr acht Tage versprochen hattest. Aber Pellestrina ist nun mal die Insel der Bootsbauer, wo hätte sie sonst denn hinsollen? Und es war ein völlig harmloser Besuch in einer Werkstatt.«
    »Mit einer Verabredung für den späten Abend zum Tanz«, sagte Crestina verärgert. »Und die Tante kannte den jungen Mann, der nicht eben einen guten Ruf hatte.«
    »Nun, du hattest nur Angst, man könnte dir deine kostbare Reedertochter entführen. Oder gar verführen.«
    »Auf jeden Fall ist mir dann lieber, sie ist unter deiner Aufsicht im Weihrauchland. Lass sie auf Kamelen reiten und mit Karawanen mitziehen.«
    »Und im Sandsturm umkommen«, sagte Margarete trocken. »Dort gehst du nicht mal eben über den Markusplatz und fütterst die Tauben. Meinst du überhaupt, dass du dich richtig verhältst? Glaubst du wirklich, du kannst ihn, Moise, von ihr abhalten? Auf solch einem Wege?«
    »Ich will sie von ihm abhalten, nicht umgekehrt.«
    »Und du bist ganz sicher, dass er nichts für sie übrig hat? Überhaupt nichts?«
    »Er ist fast doppelt so alt wie sie«, sagte Crestina heftig, »und er wird nie eine christliche Frau heiraten.«
    »Weißt du das genau?«
    »Es ist eine einseitige Amour fou «, stellte Crestina entschieden fest, schnitt dem Fisch mit einem harten Schlag den Kopf ab und warf ihn in den Eimer.
    »Und deine Amour fou ? Die zu deinem Bruder Riccardo? War das nicht auch eine?«
    »Das war etwas völlig anderes«, begehrte Crestina auf. »Etwas völlig anderes.«
    »Anders schon, aber deswegen weniger verrückt?«
    »Nimm sie mit«, bat Crestina beschwörend, »nimm sie mit. Aus Sandstürmen werdet ihr schon wieder herauskommen. Lass sie so viel Abenteuer erleben, wie sie will, aber nimm sie um Gottes willen weg von Venedig.«
    Margarete sah die Freundin an.
    »Du tust, als habe Moise die Pest. Weshalb eigentlich? Es kann doch nicht sein Judentum sein, das dich so sehr stört, das dich auf die verrücktesten Ideen bringt. Die Sache mit dem Weihrauchland ist eine.«
    »Sie ist ein Kind. Er ist ein Mann.«
    »Hast du noch nie von Altersunterschieden zwischen Männern und Frauen gehört?«
    »Aber doch nicht doppelt so alt!«
    »Ich weiß mindestens von drei Paaren in Nürnberg,

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