Stadt der blauen Paläste
reichen können. Wenn sich die Köchinnen einig gewesen wären. Schließlich nahm das eine der beiden Mädchen ein Blatt Papier und malte darauf irgendwelche Gebilde. Dann hielt sie es Crestina aufmunternd entgegen. Aber da diese weder die Zeichnung noch die dazu gehörenden Zutaten erkannte, schüttelte sie lediglich hilflos den Kopf und versuchte, in den Teil der Küche zu gelangen, den sie einst als den ihren betrachtet hatte.
Aber es schien, als hätte es in dieser Küche nie einen Teil gegeben, der je ihr gehört hatte. An den Essensresten, die in irgendwelchen Ecken in irgendwelchen Töpfen vor sich hin krusteten, konnte sie sehen, dass Lea wohl noch immer in Rom weilte, da diese Überreste von irgendwelchen Speisen ganz gewiss nichts mit der jüdischen Küche zu tun hatten. Für wen die ominösen ›Schlisserrieben‹ gedacht waren, ließ sich ebenfalls nicht erkennen.
Crestina hatte soeben ihren Korb vom Schrank heruntergezogen, ein Korb, aus dem ihr ein Durcheinander von Zwiebeln, Äpfeln, Kartoffeln und alten Lappen auf den Kopf fiel, als sich die Tür öffnete und der junge Mann vom Tage zuvor hereinkam. Er schüttelte missbilligend den Kopf, nahm den Mädchen, deren Stimmen in der gleichen Sekunde verstummten, das Buch aus der Hand und schob dann die Hälfte der Zutaten auf dem Küchentisch auf ein Brett, sodass nur noch ein überschaubarer Teil übrig blieb. Dann stieg er mit den Mädchen in einen Disput ein, der ganz offensichtlich in derselben Sprache geführt wurde wie zuvor. Es war ein Mischmasch von Worten, das Crestina nur als wildes, undurchschaubares Gewirr aus Lauten bezeichnen konnte.
»Wir haben sie noch nicht sehr lange«, erklärte der Mann entschuldigend, »aber sie sind willig, auch wenn sie bis jetzt nur das kochen können, was sie einst in ihrem Urwald gekocht haben. Eine der beiden kann bereits ein wenig lesen, was jedoch mehr zu Streit führt, als gut ist, da die andere sich im Nachteil fühlt. Und sie dürfen natürlich nicht mehr hier sein, wenn Ihr in die Küche wollt. Ich nehme an, dass wir alle etwas leichtfertig mit den einstigen Abmachungen umgegangen sind, da Ihr ja nicht da wart und Lea Coen über einen längeren Zeitraum ebenfalls nicht.«
Crestina versuchte, die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen, und erwiderte lediglich, dass sie nun zum Markt ginge. Der Mann lächelte und verschwand dann.
Sie genoss das Einkaufen am Rialto, auch wenn sie niemand mehr von früher her kannte, sie verweilte auf dem Fischmarkt, wo sie glaubte, sich noch an eine der Frauen zu erinnern, aber an die Namen der Fische musste sie sich erst wieder gewöhnen. Sie kaufte danach Gemüse ein, aber selbstverständlich waren es hier andere Sorten als in Konstantinopel, und sie hatte das Gefühl, als seien sie hier frischer. Dann trat sie, nicht übermäßig befriedigt von ihrem bisherigen Vormittag, den Heimweg an und hoffte, dass nicht ein weiterer Wirbelsturm durch ihr Haus gegangen war.
Aber die Küche war inzwischen in einem ordentlichen Zustand und ein paar in Fett ausgebackene Gebilde standen auf einem Teller auf dem Tisch: »Lasst Euch die ›Schlosserbuben‹ schmecken«, stand auf einem Zettel, der daneben lag, »mit herzlichem Gruß und nochmaliger Entschuldigung, Thomas Pircklin.«
Sie machte sich an die Vorbereitung des Mittagessens, was ungewohnt war, da sie in Konstantinopel natürlich ein großes Hilfspersonal gehabt hatte, das sie hier erst wieder zusammenstellen musste. Jacopo, der Neffe ihres früheren Dieners Jacopo, der an der Pest gestorben war, hatte bis jetzt Grobarbeiten übernommen und war für Dienstbotengänge eingeplant. Ob sie eine Köchin einstellen würde, wusste sie noch nicht. Vor ihrer Abreise hatten sie abwechselnd zu dritt gekocht – Lea, Margarete und sie. Heute erwartete sie zum Essen lediglich Clemens und Ludovico, da sie ihrer Tochter Bianca erlaubt hatte, eine Woche bei einer Tante auf der Insel Pellestrina zu verbringen.
Da ihre Söhne jedoch ganz offensichtlich auf den Schiffen festgehalten worden waren und sich verspäteten, entschloss sich Crestina zunächst zu einem Gang durch das Haus, um die Fremdheit, die sie gegenüber diesem Palazzo bis jetzt empfand, zu überwinden. Er gehörte ihr nicht mehr allein. Sie stellte sich vor, dass sie kaum mehr nur mit einem dünnen Morgenmantel bekleidet durch das Haus gehen konnte, wo sie zu jeder Zeit von Margaretes Faktor oder Moise überrascht werden konnte.
Manche der Möbel waren ihr vertraut, andere
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