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Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gardisten und knüpften ihn mit rohen, unflätigen Bemerkungen vom Balken. Gut, daß sie nicht lesen konnten. Die Schrift an der Wand sagte ihnen deshalb nichts.
    Allein ihr Kommandant, der Marquis de Bérguérac, enthielt sich abfälliger Kommentare. Schweigend stand er vor der Schrift und las sie zum wiederholten Male. Er überlegte. Plötzlich nahm er einen Lappen und löschte des Präfekten letzten Liebesdienst am Herzog von Orléans.
    Ein halber runder Strich, dachte der Marquis, ein Strich, der unvollendet blieb, da der Dolchstoß den Buron traf. Sagte ich nicht gleich, es könnte ›Orléans‹ bedeuten? Aber nun fehlt der Beweis, ich habe ihn beseitigt. Warum habe ich das getan? Ich weiß es selbst nicht. Welchen Dank ich mir dafür von welcher Seite eventuell gesichert habe, ist klar. Des Dauphins falscher Freund kann jetzt jedenfalls nicht mehr des beabsichtigten Königsmordes bezichtigt werden. Ob Chartier das vermag? Noch sind seine Erkenntnisse und Möglichkeiten und das, was durch ihn entstehen kann, nicht geklärt. Ich muß ihn heute noch vor dem Fest sprechen.
    Mit langsamen Schritten verließ der Marquis den Keller, kletterte auf sein Pferd und ritt davon.

XII
    Vergeblich hielt sich der Marquis de Bréguérac unter irgendwelchen Vorwänden in der Nähe des Schloßportals auf, um den Dichter Alain Chartier, wenn er kam, nicht zu verpassen. Zwar hatte der Offizier des Tores an der Avenue de Neuilly durch einen reitenden Boten melden lassen, daß Chartier im Anrücken sei, doch hatte seitdem den Poeten kein Soldat mehr gesehen, und auch eine ausgesandte Streife durch fast alle Straßen der Stadt konnte ihn nicht entdecken. Alain Chartier schien wie vom Erdboden verschluckt. Ihn im Bois suchen zu lassen, kam dem konsternierten Marquis nicht in den Sinn, denn wer setzt sich im Park auf eine Bank, wenn er im Schloß erwartet wird?
    Besorgt, die Gruppe der Verschwörer könnte sich Chartiers bemächtigt haben, um seinen Einfluß auf die Dauphine auszuschalten, ließ der Kommandant der Garde den seltenen Fall, daß ein ins Schloß eingeladener Mensch verschwunden war, dem Dauphin melden. Dieser wiederum suchte das Boudoir seiner Gemahlin auf, um ihr die Nachricht, die als kleine Hiobsbotschaft anzusehen war, schonend zu überbringen. Doch die Dauphine erschrak nicht, sondern über ihre Züge glitt ein unbesorgtes Lächeln.
    »Mein Lieber«, sagte sie, »Dichter lassen sich nicht mit allgemeinen Maßstäben messen. Wer Gott so nahe steht, hat der nicht ein angestammtes Recht, allein dem Rhythmus seiner Kunst zu leben? Du hast ihn eingeladen, um mich zu erfreuen – er wird auch kommen, doch ob das um neun oder um elf erfolgt, das weiß im Moment vielleicht noch nicht einmal er selber. Es kommt darauf an, wohin ihn der Drang der Seele gerade treibt.«
    Der Dauphin nickte, streichelte die Wangen seiner Gemahlin und beugte sich dann über ihre Hand.
    »Mir scheint, meine Liebe, du kennst dich mit Dichtern besser aus als ich. Ich bin umgeben von Höflingen, Diplomaten, Generalen, rauhen Kriegern – aber nicht von Poeten. Kein einziger hat bisher meinen Weg direkt gekreuzt. Daß man einen Dichter von den Menschen abhebt, um ihn zwischen Welt und Himmel, verklärt vom Sonnenlicht und eingetaucht im Erdenschaffen –«
    »Mon Dieu!« unterbrach die Dauphine freudig erregt ihren Gatten. »Du bist ja selbst auch schon ein Poet! Du müßtest dich sprechen hören!«
    »Was habe ich denn gesagt?« fragte der Dauphin etwas verlegen, fuhr aber, ohne eine Antwort seiner Gemahlin abzuwarten, selbst fort: »Ist ja egal. Zum Ausdruck wollte ich bringen, daß mir dieser Alain Chartier ein Beispiel dafür ist, zu welcher Würde sich der ärmste Mensch erheben kann, wenn er begnadet ist.«
    Mit einer graziösen Verbeugung wollte der Dauphin das Boudoir seiner Frau verlassen, wurde jedoch von ihr zurückgehalten.
    »Hat man den größten Schurken, der je gesucht wurde, schon gefunden?« fragte sie.
    »Den Präfekt?«
    »Ja.«
    Der Dauphin räusperte sich.
    »Es wäre mir lieber gewesen, du hättest nicht danach gefragt.«
    »Warum?«
    »Du freust dich auf das Fest heute abend. Meine Antwort auf deine Frage wird dir aber die gute Laune verderben.«
    »Man hat ihn also noch nicht gefunden?«
    »Doch.«
    »Doch?!« rief die Dauphine, in die Hände klatschend. »Und das nennst du eine Enttäuschung für mich?«
    »Wir konnten ihn aber nicht mehr lebend erwischen.«
    »Merde!« entfuhr es der Dauphine, die im rauhen Schottland

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