Stefan Zweig - Gesammelte Werke
Nabukadnezar… kaum entkam ich seinen Reitern… rüstet… rüstet… Wächter an die Mauern… ich… ich muß…
STIMMEN:
Wie… was sagt er… wer ist geschlagen… wo ist Pharao… Du bist verwirrt… gebt ihm Wasser… er lebt… es ist nicht möglich… wo ist Ägypten…
DER BOTE:
Wasser… ich kann nicht mehr… Ägypten ist geschlagen… Necho hat Friede gemacht… Tribut… Tribut… nun zieht er heran… Nabukadnezar… führt mich… ich kann nicht mehr… hinter mir seine Reiter… zum Könige…
(EINIGE führen den Boten, der kaum vor Erregung gehen kann, zum Palast.)
STIMMEN (von rückwärts):
Was hat er gesagt… sind die Chaldäer geschlagen… was ist… warum schweigt ihr… was ist geschehen…?
DIE MENGE (wird allmählich von einer grauenhaften Angst befallen, der große, rauschende Tumult ist in ihr erloschen. Ein ungeheures Schweigen der Bestürzung geht allmählich über in die Stimmen, die zaghaft und erschreckt aus der Stille aufzucken):
Es ist nicht möglich… es darf nicht wahr sein… was… was hat er gesagt… ein Betrüger… er ist trunken… nein, er war erschöpft… die Reiter hinter ihm, hat er gesagt… es kann nicht sein… sie haben doch gesagt… er lügt… nein, nicht eines Lügners war sein Gebaren… was ist… was ist geschehen… was hat er gesagt… es kann nicht sein… Gott kann das nicht wollen…
EINE STIMME (laut):
Pharao hat uns verraten!
STIMMEN (plötzlich aufspringend im Zorn und raschen Anlaufs wachsend):
Ja… Pharao hat uns verraten… ja… ja… Fluch über Pharao… ein Bündnis geschlossen… Fluch Mizraim… Betrüger die Ägypter… sie haben uns verraten… Fluch Pharao…
EINE STIMME:
Immer habe ich gesagt: kein Bündnis mit Ägypten.
STIMMEN:
Ich auch… ich auch… ja… ich auch… ich auch… wir alle… ich auch… ein Rohrstab ist Ägypten… weh, daß der König ihnen traute… ich habe widerraten… ich auch… ich auch… wir alle… Fluch über Pharao… was wird nun aus uns… wehe über Israel… mein Weib, meine Kinder… ich habe gewarnt… ich auch…
EIN MANN (hereinstürzend):
Zu den Waffen! Zu den Waffen! Verschließet die Tore, Nabukadnezar zieht heran und seine Scharen. Schon bei Hebron sind seine Reiter…
STIMMEN:
Wehe… bei Hebron… in zwei Tagen umgürtet er die Stadt… wir sind verloren… nein… an die Mauern… wo ist der König… man schließe Friede… nein… es ist zu spät… sind wir besiegt denn… die Priester, wo sind sie… bei Hebron hat er gesagt… zu den Waffen… nein, Friede… Friede… zieht ihm entgegen… verloren sind wir… von je hab ich gewarnt…
EINER (plötzlich auf Jeremias hindeutend, der sich wie ein Trunkener an eine Säule stützt und sein Antlitz verhüllt):
Da… da seht hin…
STIMMEN:
Was ist… wer ist es… was habt ihr… was meinet er…
DER EINE:
Dort… dort sehet hin… von ihm geht es aus… er hat sie gerufen… er hat den Boten gekündet… er hat uns verflucht…
STIMMEN:
Wer… Jeremias… wer ist es… Jeremias, er hat uns verflucht… ja, er hat ihn gerufen… er hat gebetet um Nabukadnezars Sieg… ein Gekaufter ist er… zerreißet ihn… nein, nicht rührt ihn an… er hat es gekündet… ein Profet ist er… ein Gekaufter… seht, wie er brütet…
DER EINE:
Sein Lachen verbirgt er hinter dem Tuche. Aber zu frühe freuet er sich. Noch steht Jerusalem, ewig wird es bestehen.
STIMMEN:
Ja… ja… ewig währet Jerusalem… tretet ihn tot… nein, weichet von ihm… Macht ist in ihm… weh, daß er uns fluchte… er ist alles Unheils schuld… ausreißt ihm die Zunge… nein, laßt ab von ihm…
(EIN HEROLD tritt hastig aus des Königs Palast.)
STIMMEN:
Ein Herold… ein Bote des Königs… Botschaft des Königs… schweigt… schweiget… höret ihn an… ein Bote…
(DIE MENGE wird ganz still und sammelt sich um die Stufen.)
DER HEROLD:
Botschaft des Königs! Feind ziehet wider Jerusalem, Chaldäa ist auf wider uns. Jeder Mannbare greife zum Schwert, und die Weiber mögen Pfeile rüsten und Schleuder. Es schaffe aus der Stadt ein jeder seine Siechen und Unkräftigen, es tue jeglicher Zehrung in sein Haus, daß nicht Hunger uns zwinge. Denn wider Waffen stehen unsere Mauern, nichts vermag Baal wider Jahve, nichts Assur wider Jerusalem!
DIE MENGE:
Ja… Gott ist mit Israel… Wir werden uns rüsten… ja… Gott ist mit uns… auf… zu den Waffen…
DER HEROLD:
Keiner bleibe zurück, und keiner entbehre des Mutes. Wer in
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