Stefan Zweig - Gesammelte Werke
in meine Hände geworfen, daß ich knetete seinen Willen, und ich ließ ihn entgleiten… Blick in Blick war mir der Schwanke gegeben, und doch: wie Asche zerstäubte an seiner Stirne mein Wort… Oh, Schmach über mich, daß so dürr war meine Rede, so laulich mein Atem… Mit Fluch fiel ich ihn an, und mit Güte hat er mich geschlagen… wer bin ich, daß man mir diente, wenn ich nicht diene dem Wort… Oh, Fluch der Nessel meiner Rede… Fluch der Distel meines Munds…
BARUCH:
Noch einmal versuch es, und du zwingest ihn. Schon erschwankte sein Wille!
JEREMIAS:
Zu spät, zu spät, verloren ist die Stunde, die Gott mir erkor! Doch was wählete er auch mich, den Schwächling, was rief er Unkraft zu so gewaltig Beginnen! Warum tat er nur Galle des Fluches in meinen Mund und des Wortes bittern Wermut, warum die läutrige Flamme nicht, die entbrennet die Herzen der Menschen! Wer bin ich denn, Nichtiger, daß ich mich erfreche, seines Wortes Profeten mich zu nennen, Bruder der Erlauchten, wenn ich nicht Erbe bin ihrer Stärke? Königen umtaten sie den Zaum ihres Willens und beugeten der Völker Stirn, Feuer des Herrn fuhr voran ihrer Rede, doch ich, ich Dorn im Fleisch ihrer Qual, nicht ein Blatt vermag ich zu wenden mit meiner Seele Odem… ein Speichelspeier nur bin ich, ein Tönen von Wirrsal und Wind…
BARUCH:
Nicht quäle dich, Meister… der Schmerz verwirret dich.
JEREMIAS:
So sage doch, zeuge, künde mir, daß ichs gewahr sei… was hab ich vermocht? Eine Stadt hängt am Tode, und ihre Not verzehret mich… von Träumen bin ich allnächtens umtan und schmerzhaft trächtig des Worts… so sag, was vermocht ich wider den Herren der Stunde… meine Warnung, wen warnete sie… nicht daß er einen Boten sendete von Zelt zu Zelt… nicht daß ein Mensch seine Schritte aufhübe als Bote des Friedens… Oh, die Luft frißt meine Schreie, und das Gelächter der Menschen schluckt meine Schreie, zur Schande bin ich gezeugt und zur Plage geboren! Wem hab ich Freude geschenket? Ein Greuel bin ich den Gerechten und meiner Mutter Kümmernis. Kein Weib trägt ein Kind mir im Schoß, und kein Lebendiger glaubet meiner Rede!
BARUCH:
Ich glaube dir, ich laß dich nicht.
JEREMIAS:
Du glaubest mir… noch immer… dann hör mein Wort… So du mir glaubest, verlaß mich! Denn du verderbest dich. Geh zu den andern, die Süße predigen und triefen von Verheißung, geh zu Hananja, der Sieg sagt, und nicht spotte ihrer mehr, denn wisse, sie sind besser denn ich. Ihre Lüge, sie zeuget noch Kühnheit, doch schlaff sind die Lenden meines Worts, sie wecken keinen Samen des Sieges. Ohnmacht nur zeugt meine Ohnmacht. Oh und sage, wer ist unnützer, denn der Friede schreit zwischen den Schwertern, wer törichter als der Weisheit Verkünder in der Trunkenen Mitte? Ist denn nicht Freude der Menschen Brot und die Hoffnung ihre Speise? Gesegnet, wer tröstet, verflucht, wer nur fluchet… daß ihm darre die Zunge… daß auslösche, der Anstoß ist und Ärgernis…
BARUCH:
Nein, ich weiche nicht von dir… Du bist der Große… Dich hab ich erwählt um deines Leidens willen.
JEREMIAS:
Nicht lobe mich, nicht lobe mich… mich verbrennet die Scham… was hab ich denn Jerusalem zum Heile getan… hab ich gebeugt des Königs Starrnis, hab ich zum Rechten geführt das irrend Volk, hab ich erweckt den Boten des Friedens mit meiner Rede Stachel? Nur geschrien habe ich und gefluchet, doch mein Geschrei war ein Blitz, der in Wasser fährt, und mein Fluch ein Wind, der nicht wehet… wo ist meine Tat… wem brachte ich Segen… wo schuf ich den Frieden… wo weckte ich den Boten zum Wege, da ich selber gestrauchelt…
BARUCH:
Wie sagtest du… einen Boten müßtest du schaffen, daß er gehe von Nabukadnezar zum Könige?
JEREMIAS:
Will er denn als erster sprechen zum andern. Wie die Knaben warten die Könige, daß einer anhübe mit dem Wort.
BARUCH (heiß):
Aus deinem Atem, sagtest du, müßtest du einen Boten erschaffen… aus deinem Atem… siehe, Jeremias, wisse… du heilig Verzagter… nicht dürr und fruchtlos ist dein Wort… fruchtend ist es mir in die Seele gefallen… in mir nun keimet Gottes Geheiß… ich danke dir, Meister, Erwecker… aus dem Dunkel hast du mich gehoben… meine Tat mir gewiesen… oh, Jeremias, der du Kraft zeugest aus deinem Schmerze… ich danke dir… ich danke dir.
JEREMIAS:
Was erglühest du so… Ich fasse dich nicht…
BARUCH:
Meine Tat… Sie ist es, die mir entglüht… Du hast mich
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