Stehaufmaennchen
um Frollein Schmitz meinen Antrag aufs Pult zu legen. Oben auf dem Antrag steht zwar nichts von Heirat, dafür aber ganz groß »Antrag«. Und danach etwas kleiner »auf eine Notschlachtung«. Habe ihren Namen eingetragen und als Grund »gebrochenes Herz«. Als Frollein Schmitz den Antrag sieht, regt sie sich furchtbar auf und rennt raus. Wahrscheinlich weiß sie nicht, wohin mit ihrem Glück.
3. November 1967
Frollein Schmitz hat meinen Heiratsantrag nicht richtig verstanden, denn als sie am nächsten Morgen in die Klasse kommt, trägt sie kein Brautkleid. Bin enttäuscht.
4. November 1967
Muss mit ansehen, wie meine zukünftige Frau nach der Schule von einem blonden Mann abgeholt wird. Der Mann küsst sie. Sogar auf den Mund! Bin am Boden zerstört. Werner meint, in so einer Situation würde man als Ehrenmann um die Liebe seiner Frau kämpfen. Die Ritter früher hätten das auch so gemacht. Mit Schwert und Speer.
5. November 1967
Liege vor der Schule auf der Lauer. Ohne Schwert und Speer. Dafür mit einer Steinschleuder. Als der blonde Mann Frollein Schmitz wieder auf den Mund küssen will, lass ich einen Stein losflitschen. Der blonde Mann kippt um. Sieg! Renne aufgeregt zu Frollein Schmitz, damit ich schnell um ihre Hand anhalten kann. Die interessiert sich aber überhaupt nicht für ihren tapferen Ritter, sondern nur für den blonden Mann, der stöhnend am Boden liegt und sich den Kopf reibt. Frage sie enttäuscht, ob ihr mein Kampf nicht gefallen hätte. Und ob ich noch mal nachlegen soll, Steine hätte ich genug. Frollein Schmitz starrt mit offenem Mund auf die Steinschleuder in meiner Hand. Doch statt mir vor Glück um den Hals zu fallen, gibt sie mir eine Ohrfeige. Versteh einer die Frauen.
6. November 1967
Stehe zusammen mit Frollein Schmitz vor dem Direktor. Aber nicht, damit wir uns das Jawort geben, sondern weil ich eine Standpauke kriege. Das ist schlimm genug. Schlimmer aber ist, dass die dicke Rehbein wieder gesund ist. Wegen gebrochenem Herzen, meiner dünnhäutigen Gefühlslage und der dicken Rehbein beschließe ich, der Schule für immer den Rücken zu kehren und auszuwandern.
7. November 1967
Schleiche mich frühmorgens aus dem Haus. Mein Ziel: Hamburg. Dort will ich auf einem Ozeandampfer als Smutje anheuern und die Weltmeere bereisen, um Frollein Schmitz für immer zu vergessen. Hamburg aber auch deshalb, weil Hamburg nur einen Meter über dem Meeresspiegel liegt. Das hab ich in der Schule gelernt, und für irgendwas muss die Schule ja gut sein. Das Bergische Land liegt viel höher als Hamburg. Also muss ich mit dem Fahrrad immer nur bergab fahren und komme so automatisch nach Hamburg. Das ist der Plan.
Noch im Dunkeln radele ich los. Immer bergab. Und tatsächlich kommt irgendwann Wasser in Sicht. Es ist aber nicht das Meer, sondern nur der Rhein. Und die Stadt heißt auch nicht Hamburg, sondern Bad Honnef. In Bad Honnef gibt es keine Ozeandampfer. Dafür aber Polizisten, die mich postwendend zurückbringen. Zu Hause weinen alle vor Glück. Ich auch, denn ich bin doch froh, wieder hier zu sein. Ich muss Mama versprechen, nie wieder auszuwandern, und darf dafür so viel Pudding essen, wie ich will. Abends gehe ich zufrieden ins Bett. Frollein Schmitz und die dicke Rehbein sind mir egal. Denn hier haben mich alle lieb. Und das ist ja die Hauptsache.
6. Wie man ein Christkind fängt
22. Dezember 1967
Übermorgen ist Weihnachten. Weihnachten geht so: Mittags gibt‘s nur Rinderbrühe. Anschließend schmückt Mama den Baum und ich muss ins Bett zum Vorschlafen. Später kommt Opa mich wecken und wir essen zusammen Gans. Beim Pudding muss Opa immer aufs Klo. Ein Glöckchen bimmelt und wir gehen ins Wohnzimmer. Das Christkind war da und hat Päckchen unter den Baum gelegt. Opa kommt vom Klo und freut sich. Den ganzen Abend packen wir Geschenke aus und singen Lieder. Dann erzählt Opa von Stalingrad, und plötzlich werden alle sehr müde und wollen ins Bett.
Dieses Jahr soll alles anders werden. Denn jedes Jahr plagen mich bei der Gans dieselben Fragen: Was ist, wenn das Christkind jetzt gar nicht reinkommt? Wer soll die Tür öffnen? Und wäre es nicht sowieso besser, das Christkind persönlich zu begrüßen? Dann könnte ich ihm auch direkt sagen, dass ich lieber eine Lok will als wieder eine Wollmütze. Übermorgen werde ich das Christkind nicht verpassen. Denn ich habe einen Geheimplan. Ich will eine Christkindfalle aufstellen.
23. Dezember 1967
Werner ist begeistert von meinem Plan und
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