Steife Prise
dein Abschnitt war, so war er doch im nächsten Augenblick schon bachabwärts geplätschert, oder nicht? Das bedeutete, dass jetzt irgendein anderer in deinem Wasser angelte, der elende Halunke! Und der Abschnitt vor dir hatte kürzlich noch dem Kerl bachaufwärts gehört, und dieser aufgeblasene Plutokrat von einem fetten Nachbarn hielt dich jetzt womöglich für einen Wilddieb, dieser andere elende Halunke! Dabei schwammen die Fische doch hin, wo sie wollten, oder? Woher sollte man wissen, welche nun die eigenen waren? Vielleicht hatten sie ja Brandzeichen … Das ganze Konzept kam Mumm ausgeprochen ländlich vor. Auf dem Land musste man ständig in der Defensive sein; ganz anders als in der Stadt.
Lord Vetinari lachte laut auf, was ziemlich untypisch für ihn war. Er freute sich diebisch über den Niedergang seiner Erzfeindin und knallte seine Ausgabe der Ankh-Morpork-Times auf den Schreibtisch. Die Seite mit den Kreuzworträtseln war aufgeschlagen. »Kukumiform, gurken- oder kürbisförmig! Das glauben Sie ja wohl selbst nicht, Madame!«
Drumknott, der sorgfältig Dokumente ordnete, sagte lächelnd: »Ein weiterer Triumph, Mylord?« Vetinaris Scharmützel mit der Oberkreuzworträtselerfinderin der Ankh-Morpork-Times waren stadtbekannt.
»Jetzt hat sie völlig den Bezug zur Realität verloren«, erwiderte Vetinari und lehnte sich zurück. »Was hast du denn da, Drumknott?« Er zeigte auf einen dicken braunen Umschlag.
»Kommandeur Mumms Dienstmarke, Euer Lordschaft. Hauptmann Karotte hat ihn vorbeigebracht.«
»Versiegelt?«
»Jawohl, Mylord.«
»Dann befindet sich nicht Mumms Dienstmarke darin.«
»Ganz recht. Eine sorgfältige Untersuchung des Umschlags ergab, dass er eine leere Dose Doppeldonner Schnupftabak enthält. Eine Schlussfolgerung, die sich nach einer kurzen Geruchsprobe bestätigt hat, Mylord.«
Ein immer noch überschwänglicher Vetinari sagte: »Aber das muss der Hauptmann doch auch bemerkt haben, Drumknott.«
»Allerdings.«
»Andererseits entspricht so etwas nun mal dem Wesen des Kommandeurs«, sagte Vetinari, »und letztendlich möchten wir ihn ja auch nicht anders haben. Er hat damit eine kleine Schlacht gewonnen, und ein Mann, der kleine Schlachten gewinnen kann, ist gut gerüstet, auch große siegreich zu schlagen.«
Ungewöhnlicherweise zögerte Drumknott ein bisschen, ehe er sagte: »Jawohl, Mylord. Apropos, es war doch Lady Sybil, die den Ausflug aufs Land vorgeschlagen hat?«
Vetinari hob eine Augenbraue. »Aber ja doch, selbstverständlich, Drumknott. Wer sollte so etwas sonst vorgeschlagen haben? Der wackere Kommandeur ist dafür bekannt, dass er ganz in seiner Arbeit aufgeht. Wer anders könnte ihn davon überzeugen, dass ihm ein paar unbeschwerte Urlaubswochen auf dem Land guttun, wenn nicht seine liebevolle Ehefrau?«
»Ganz recht. Wer schon?«, sagte Drumknott und ließ es dabei bewenden, weil alles andere ohnehin keinen Sinn hatte. Sein Herr schien über Informationsquellen zu verfügen, die nicht einmal Drumknott zugänglich waren, wie sehr er sich auch darum bemühte, und der Himmel allein wusste, wer all diejenigen waren, die in der Finsternis der langen Korridore und Treppenfluchten umherschlichen. Folglich war das Leben im Rechteckigen Büro eine Welt der Geheimnisse, Vermutungen und Irreführungen, in der das Wesen der Wahrheit seine Farben wechselte wie ein Regenbogen. Dessen war er sich bewusst, weil er eine nicht unbedeutende Farbe in diesem Spektrum darstellte. Aber zu wissen, was Lord Vetinari wusste und was Lord Vetinari nun genau dachte, war eine psychologische Unmöglichkeit, die ein kluger Mann akzeptierte und sich weiter um seine Ablage kümmerte.
Vetinari erhob sich und ließ den Blick aus dem Fenster schweifen. »Unsere Stadt ist eine Stadt der Bettler und Diebe, habe ich Recht, Drumknott? Ich bin stolz darauf, dass wir in dieser Hinsicht einige der hervorragendsten Talente unter uns haben. Gäbe es zwischen Städten so etwas wie einen Wettbewerb der Diebe und Beutelschneider, Ankh-Morpork würde mit Sicherheit die Trophäe nach Hause bringen – und die Brieftaschen aller anderen Teilnehmer gleich mit. Diebstahl erfüllt einen bestimmten Zweck, Drumknott; aber während man sofort ganz intuitiv spürt, dass es Dinge gibt, die von Natur aus nicht für die einfachen Leute bestimmt sind, gibt es durchaus auch solche, die den Reichen und Mächtigen nicht erlaubt sind.«
Drumknotts Fähigkeit, die Gedankengänge seines Herrn zu verstehen, mochte jedem
Weitere Kostenlose Bücher