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Stein der Dämonen

Stein der Dämonen

Titel: Stein der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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Flocken fielen. Es kam wohl nur selten vor, dass so weit im Süden ein Schneesturm über das Land fegte. »Vorwärts, Pandor!«
    Die Hufe des Einhorns schienen kaum noch den Boden zu berühren. Während der Falke mit schwerem Flügelschlag in den wirbelnden Flocken verschwand, blieb Hark anMythors Seite.
    Allmählich wurde es kälter, und der Schnee, zu harten Kristallen gefroren, fiel dichter. Kaum mehr als zwanzig Schritt weit reichte die Sicht. In nicht allzu großer Entfernung mochte die Straße des Bösen die Steppe durchschneiden. Hin und wieder glaubte Mythor, die Laute wilder Tiere zu hören, doch konnte das ebenso gut eine Täuschung sein, hervorgerufen durch das Heulen des Windes.
    Im Lauf der Zeit verfiel Pandor in einen gleichmäßigen Trab. Es schneite heftiger, und sämtliche Spuren waren innerhalb weniger Augenblicke verweht.
    Das Unwetter dauerte an. Den Verfolgern, selbst wenn sie ebenfalls Schnee und Eis trotzten, musste es schwerfallen, Mythor nun noch aufzuspüren. Er wich von der bisher eingeschlagenen Richtung ein wenig nach Süden ab. Auch so würde er sein Ziel erreichen.
    Alles an ihm war angespannte Erwartung. Was würde er vorfinden? Endloses, ebenes Land, bar jeglicher menschlicher Siedlung? Hatte nicht Curos geschworen, dass niemand weit und breit gewesen sei, der ihn, den wohl fünf Sommer zählenden Knaben, dorthin gebracht haben konnte?
    War er wirklich vom Himmel herabgestiegen, als ausersehener Retter der Lichtwelt, den man in vielen Legenden den Sohn des Kometen nannte?
    »Vielleicht bin ich auch vom Himmel gefallen«, murmelte Mythor leise vor sich hin. Es war ein vergeblicher Versuch, sich abzulenken. Immer öfter eilten seine Gedanken weit voraus, denn nie war er der Erkenntnis näher gewesen als gerade jetzt.
    Und doch scheute er sich gleichzeitig vor der Wahrheit. Sie mochte hart und grausam sein – ganz anders, als die alten Legenden zu berichten wussten.
    Der Schrei des Bitterwolfs schreckte ihn aus seinen Überlegungen auf. Hark schien ihn auf etwas aufmerksam machen zu wollen.
    Tatsächlich zeichneten sich kurz darauf die Umrisse eines einsamen Gehöftes durch das Schneetreiben hindurch ab. Mythor brachte das Einhorn zum Stehen und sprang ab. Hark war sofort neben ihm, als er mit gezogener Klinge vorsichtig weiterging, jeden Augenblick auf einen überraschenden Angriff gefasst. Die Zeiten waren unsicher, und nur die Götter mochten wissen, welche versprengten Heerscharen in dieser Gegend ihr Unwesen trieben.
    Doch alles blieb ruhig. Der Hof schien verlassen. Kein Rauchfaden kräuselte sich aus dem Kamin des Haupthauses. An manchen Stellen hatte der Wind mannshohe Wechten aufgetürmt, aber nirgendwo zeigten sich die Spuren von Mensch oder Tier.
    Mythor ging langsam auf den Stall zu, dessen Tür schräg in den Angeln hing. Der Spalt war breit genug, um ihn und Hark hindurchzulassen.
    Im Innern des recht baufälligen Gebäudes herrschte ein dämmriges Zwielicht. Durch unzählige Löcher im Dach wirbelte Schnee herein.
    Eine Berührung wie von Geisterhand streifte Mythors Gesicht. Über klebrige Fäden huschte eine Spinne von der Größe zweier Fäuste auf ihn zu. Er schlug sie mit der Breitseite seines Schwertes zur Seite und wischte sich mit einer unwilligen Bewegung die Reste ihres Netzes ab.
    Zum Teil wagenradgroße Gespinste hingen rings um den Eingang.
    »Komm, Hark! Hier war schon lange niemand mehr.« Mythor verließ den Stall und schritt auf das Wohnhaus zu, das einen nicht minder verfallenen Eindruck machte. Er fand nur einen einzigen großen Raum vor, mehrere wurmstichige Möbel und zwei mit Stroh aufgeschüttete Nachtlager. Die Asche im Kamin war längst erkaltet, sie roch nicht einmal mehr nach Feuer.
    »Hier bleiben wir wenigstens so lange, bis das Schneetreiben nachlässt«, entschied Mythor. Dann holte er Pandor, dessen Fell inzwischen eisverkrustet war, in die Stube und rieb ihn mit dem vorhandenen Stroh ab, so gut ihm dies möglich war.
    Seine Gedanken weilten jedoch anderswo – in der Oase von Theran, bei den am Rand des Wahnsinns stehenden Orakel-Trollen. Welche Bewandtnis mochte es mit dem Leder haben, das er von Gorel erhalten und sich in aller Eile um den Oberschenkel gebunden hatte, um es nicht zu verlieren? Wenn ihn der flüchtige Augenschein nicht trog, dann war es voller Schriftzeichen – Runen, die er nicht zu deuten vermochte.
    Es wurde Zeit, dass er sich näher damit befasste, wollte er entscheiden, ob er es behielt oder lieber vernichtete.

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