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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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an die nigerianischen Frauen wird abgewürgt, als das Handy auf dem Tisch zu vibrieren beginnt. Er wirft einen Blick aufs Display. Wenn man vom Teufel spricht. Verdammt, denkt Brogeland.
    Soll er doch anrufen.
    Seine Füße sind wie einbetoniert im Boden. Er hat schon öfter Tote gesehen, aber die sahen meist friedlich aus. Stefan gar nicht. Er wirkt gequält, als hätte er bis zum letzten Moment gelitten. Schwarze Ringe unter den geschwollenen Augen, das Gesicht blass und müde. Ein Arm ruht auf der Decke und zeigt zum Kopf. Er liegt gekrümmt vor der Wand, als hätte er versucht, darin zu verschwinden.
    Auf dem Nachtschränkchen steht ein Glas mit einem kleinen Rest Flüssigkeit. Auf dem Buch daneben liegt eine einzelne Tablette. Vival , denkt er. Überdosis. Er weiß, dass er es nicht tun sollte, geht aber trotzdem einen Schritt weiter in den Raum hinein und schnuppert an dem Glas. Es riecht streng nach Alkohol. Dann tritt er ans Bett. Unter seinen Füßen knirscht etwas. Er hebt seinen Fuß und sieht die Reste von etwas Weißem, Pulvrigem. Fluchend beugt er sich vor und hebt die Decke etwas an, die über den Rand des Bettes nach unten hängt.
    Er ist auf eine Tablette getreten. Direkt neben seiner Sohle liegt noch eine weitere, ganze. Vorsichtig hebt er sie auf, mustert sie und riecht daran. Sie erinnert ihn an irgendetwas, ihm fällt aber nicht ein, an was. Auch der Geruch des Medikaments kommt ihm bekannt vor. Er flucht noch einmal, während er die Tablette an den exakt gleichen Ort zurücklegt und sich wieder erhebt. Das Pulver unter meiner Sohle wird sich bei jedem Schritt durch die Wohnung lösen, denkt er. Und wenn ich meinen Schuh nicht auskoche, werden die Kriminaltechniker immer Spuren dieser Substanz finden können.
    Mit einem Mal kommt ihm die Wohnung beklemmend eng vor. Am liebsten wäre er einfach weggelaufen, tut es aber nicht. Etwas auf dem Tisch neben dem Bett lässt ihn zögern. Das Skript von Anette und Henriette, Scharia-Kaste . Aufgeschlagen ist die neunte Szene, in der die Familie Gaarder zu Mittag isst. Hier ist etwas sehr, sehr seltsam, denkt Henning.
    Er wählt die Nummer von Bjarne Brogeland. Während er auf Antwort wartet, überlegt er, ob er etwas angefasst hat. Er will auf keinen Fall, dass die Techniker irgendwo seine Fingerabdrücke finden.
    Der Spiegelschrank. Verflucht! Er hat den Badezimmerschrank geöffnet, ohne nachzudenken, und ihn dann mit der rechten Hand wieder zugedrückt.
    Mist!
    Er lässt es lange klingeln, aber Brogeland geht nicht ans Telefon. Ein Scheißzeitpunkt, nicht erreichbar zu sein, denkt Henning und schimpft weiter über sich selbst. Verfluchter Amateur! Aber er konnte ja nicht ahnen, dass ein Toter in der Wohnung liegt!
    Er geht nach draußen und schiebt die Tür so wieder zu, wie er sie bei seinem Kommen vorgefunden hat, und wiederholt die gleiche Prozedur mit der Tür zum Hinterhof. Als er auf die Straße tritt, denkt er, wie angenehm es ist, an der frischen Luft zu sein. Er blickt nach oben zu den Fenstern, aber niemand sieht nach draußen. Er lässt das Telefon sicher zwanzigmal klingeln, ehe er auflegt. Verdammt, denkt er. Verdammt, verdammt, verdammt! Was tue ich jetzt? Ich muss Bjarne erreichen. Ich kann doch nicht einfach bei der Polizei anrufen und das irgendwem melden. Dann müsste ich hier warten und bis ins Detail erklären, wieso ich in die Wohnung gegangen bin. Das würde alles andere als einen guten Eindruck machen. Ich würde nicht darauf antworten können, zumindest nicht, ohne mich verdächtig zu machen. Erst Tariq und jetzt Stefan.
    Nein, sagt er zu sich selbst, ich muss Bjarne erreichen.
    Er versucht es noch einmal. Es klingelt und klingelt. Verfluchte Scheiße! Dann wählt er die 02800 und bittet darum, mit Brogeland verbunden zu werden. Viel zu viele Sekunden verrinnen, bis er durchgestellt wird.
    Nach zwei Klingeltönen geht Brogeland ans Telefon.

55
    Zu Anfang seiner Karriere hatte Bjarne Brogeland keine Probleme mit Toten, doch inzwischen kann er sie kaum noch ansehen. Besonders dann nicht, wenn es sich um Jugendliche oder Kinder handelt. Vermutlich, weil ich selbst Vater bin, denkt er. Jetzt muss er jedes Mal, wenn er an einen Tatort kommt oder in ein Haus, in dem ein Kind umgekommen oder ermordet worden ist, an seine Tochter denken. Was wäre sein Leben ohne seine süße kleine Alisha?
    Yngve und Ingvild Foldvik müssen am Boden zerstört sein.
    Brogeland betritt die Wohnung der Familie. Drinnen herrscht eine seltsame Atmosphäre

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