Das Amulett des Dschinns
1. KAPITEL
Herzlich willkommen in Marokko. Bitte bleiben Sie angeschnallt, bis wir unsere endgültige Parkposition erreicht haben und die Anschnallzeichen ausgeschaltet wurden. Vielen Dank …
Die Luft über dem Asphalt flirrte vor Hitze, als die Maschine der British Airways auf dem Flughafen Aéroport International Marrakech Menara im Schneckentempo über die Rollbahn ruckelte. Lauren Hammond, die am Fenster saß, konnte es kaum erwarten, aus der engen Sardinenbüchse herauszukommen. Fliegen war nicht gerade ihre größte Leidenschaft – was auch Derek nicht entgangen war, der den gesamten Flug über neben ihr gesessen und ihre Hand gehalten hatte.
„Du kannst jetzt ruhig wieder loslassen“, sagte sie lächelnd, dabei fand sie seine Nähe eigentlich ganz schön. Nein, sehr schön sogar. „Wir haben inzwischen ja wieder festen Boden unter den Füßen.“
Derek Bodeyn war aber auch wirklich ein Traumtyp! Er hatte alles, was Lauren an einem Jungen mochte: Augen so blau wie der Himmel über der Sahara und die Statur eines Athleten – durchtrainiert, ohne dass er deshalb wie ein Bodybuilder wirkte.
„Und wenn ich gar nicht will?“ Lächelnd zwinkerte er ihr zu. Sie konnte sich nicht erinnern, je einen Jungen mit so langen und dichten Wimpern gesehen zu haben. Wahnsinn! Ihr Herz klopfte heftiger.
Diese Exkursion ihres Seminars über Architekturgeschichte versprach wirklich ein voller Erfolg zu werden. Kein Wunder – schließlich hatten sich, nachdem feststand, dass Lauren mit nach Marokko fliegen würde, auch all ihre Freunde für die Studienreise angemeldet. Dass Derek nun auch mit von der Partie war, empfand sie allerdings noch als besonderes i-Tüpfelchen. Immerhin schwärmte sie schon eine ganze Weile heimlich für ihn. Es wurde langsam Zeit, dass sie die Sache endlich in die Hand nahm.
„Ich glaube, ich könnte es mir durchaus noch eine Weile gefallen lassen“, entgegnete sie mit einem herausfordernden Lächeln. „Aber nur weil … AUA!“
Ein scharfer Schmerz riss Lauren brutal aus ihrem Tagtraum. Abrupt kehrte sie in die weit weniger schöne Realität zurück. Grenzenlose Ernüchterung überkam sie, als sie schlagartig feststellte, dass sie sich nicht etwa mit Derek flirtend im Flieger befand. Stattdessen stand sie am Kofferband des Flughafens und wartete zusammen mit ihrer besten – und aktuell auch einzigen – Freundin Prue Lancaster auf ihr Gepäck. Die war rechtzeitig ausgewichen, als Kylie Graham, eines der anderen Mädchen aus ihrem Kurs, mit einem Trolley angeschossen gekommen war.
Lauren nicht – und deshalb war Kylie ihr kurzerhand mit dem schweren Wagen über den Fuß gefahren.
„Spinnst du?“ Lauren, die nur ein paar dünne Stoffballerinas trug, hatte den Fuß angehoben und rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Zehen. „Das hat verdammt wehgetan!“
„Selbst schuld“, entgegnete Kylie, strich ihr perfekt frisiertes blondes Haar zurück und bedachte Lauren mit einem hämischen Grinsen. „Was stehst du auch so dämlich im Weg herum?“
Mit diesen Worten ging sie weiter, ohne sich auch nur noch einmal umzudrehen.
Lauren seufzte. Die Realität hatte sie eingeholt – mal wieder. Die Zeiten, in denen sie noch mehr Freundinnen hatte, als sie zählen konnte, und in denen sich ein Typ wie Derek Bodeyn ausgerechnet mit ihr abgegeben hätte, waren lange vorbei.
Genau genommen schon seit der Grammar School .
Sie atmete tief durch. Du liebe Güte, war das wirklich erst anderthalb Jahre her? Ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, beinahe wie aus einem anderen Leben. Damals hatte sie noch zu den beliebtesten Mädchen der ganzen Schule gehört. Und jetzt …?
„Hey, komm schon. Nimm’s nicht so schwer“, sagte Prue und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter.
Lauren schüttelte kaum merklich den Kopf. Das war mal wieder typisch für Prue! Sie hatte immer leicht reden. Ein paar tröstende Worte, und dann konnte es gleich weiter zur Tagesordnung übergehen. Aber Lauren konnte es ihr nicht einmal verdenken. Woher sollte Prue auch wissen, wie es in ihr aussah? Sie hatte schließlich nicht so einen rasanten gesellschaftlichen Abstieg hinter sich wie Lauren.
Beide Mädchen stammten aus kleinen Kaffs in Cornwall, hatten sich aber erst in London an der Uni kennengelernt. Prue hatte mal erzählt, dass sie schon an ihrer alten Schule mehr zu den Außenseiterinnen gehört hatte. Lauren war keineswegs überrascht gewesen, das zu hören. Prue war einfach … nun, langweilig
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