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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Menschen und Gegenden anzuhören, die es jenseits von Brakrath gab. Seine Stimme vermochte sie aufzurütteln, seine Erzählungen konnten sie wecken.
    »Einen Augenblick, meine Tochter«, sagte Khira. »Da ist ein Kind ...«
    Reynas Vater schritt rasch an den Alkoven des Thronraumes, wo die Schriftrollen aufbewahrt wurden. Sie hörten, wie er schmeichelnd sprach. Endlich kam er wieder hervor und führte ein Kind an der Hand.
    Reyna wußte sofort, daß es nicht von Brakrath war. Es war nicht zierlich und hatte nicht die kastanienbraunen Haare einer Palasttochter. Es war auch nicht blond und kräftig wie eine Tochter der Hallen. Es war schlank und bleich, seine Haare waren fein und beinahe wie Silber. Sein Gesicht war schmal, als litte es Hunger, und seine Augen waren riesig und dunkel und erschreckt. Es sah umher und hatte den scheuen, unverwechselbaren Blick Iahns.
    »Wer ... wer ist sie?« fragte Reyna. Aber sie hatte es schon halb erraten und erinnerte sich an die Geschichten, die sie über den Winter gehört hatte, in dem ihr Vater auf Brakrath gekommen war.
    »Die Arnimis sagen, daß sie Cilka Fynn heißt; jedenfalls hieß so die Frau, deren Abbild sie darstellt und die vor langer Zeit gelebt hat. Die Monitoren fanden sie vor drei Tagen im Feld, wo sie umherging, weinend und hungrig.«
    Reyna fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Haben die Benderzic ...«
    »Die Benderzic haben sie ausgesetzt, damit sie unser Land studiert. Genauso, wie sie einst Iahn zurückgelassen haben.«
    Die Benderzic hatten dieses Kind ausgesetzt – konnte man sie als Fynn-Image bezeichnen? –, um ihre Gesellschaft zu untersuchen, ihre Sprache zu erlernen, ihre Gewohnheiten zu studieren, ihre Ressourcen zu ergründen, ebenso ihre Stärken und Schwächen. Die Benderzic erwartete, diese Informationen eines Tages verkaufen zu können.
    »Sie ist so klein«, sagte Reyna anklagend. Das Kind konnte noch keine fünf sein.
    »Wer beobachtet genauer und lernt schneller als ein Kind? Und wer ist weniger gefährdet? Die Benderzic haben es hier ausgesetzt und werden es eines Tages wieder abholen. Selbst wenn sie es uns nicht entreißen können; ihre Aufmerksamkeit wacht über uns. Sie werden einen Weg finden, uns auszuwerten – vielleicht. Und so, meine Tochter ...« Jetzt war es Khira, die zögerte, die unsicher wirkte. »Meine Tochter, du und Juaren, ihr habt Dinge gesehen, die kein anderer Brakrathi je erblickt hat. Ihr wißt besser als irgendeiner von uns außer Verra – wer dort jenseits unseres Himmels wartet. Der Rat weiß von diesem Kind noch nichts. Ich werde ihm davon berichten, wenn die Sitzung am Ende der Saison stattfindet. Und ich werde ihm noch etwas anderes berichten. Die Menschen müssen diese Dinge erfahren. Die Menschen müssen anfangen zu begreifen, daß das Universum nicht hier zu Ende ist, daß sie es sich nicht leisten können zu schlafen, während die Benderzic Wissen einholen, um es später zu versteigern. Die Menschen ...«
    »Die Menschen müssen geweckt werden«, sagte Juaren leise. »Sie haben geschlafen. Sie haben geträumt. Jetzt müssen sie erwachen und erkennen, was ihnen das Morgen bringt.«
    »Ja«, sagte Khira und sah ihn zum erstenmal direkt an, offensichtlich erfreut, daß er es begriff. »Und ihr ... ihr seid diejenigen, die die Menschen aufrütteln müssen.«
    Reyna lachte leise, berührte Juaren am Arm und fühlte die Anspannung von ihm weichen. Ihre Mutter wollte also, daß sie genau das taten, was sie zu tun beabsichtigt hatten. Sie würde die Notwendigkeit zu handeln vor dem Rat betonen. Es war das Ende einer langen Reise, und der Beginn einer neuen. Wortlos wiederholte sich Reyna einige der Lektionen, die sie gelernt hatte: daß es keinen Unterschied machte, wer den Sonnenthron des Terlath-Tals innehatte, solange es nur jemand tat. Daß sie mit diesem Verständnis so groß wie ihre Mutter wurde, so alterslos wie der Thron und so unzerstörbar wie die Seide, die sie in der Hand hielt, und das alles ohne erkennbare Veränderungen. Daß sie mit diesem Verstehen eine Frau wurde, die einen Platz hatte, in den Bergen, im Tal und in ihren eigenen Augen. Je mehr sie ihr Verständnis dieser Dinge vertiefte, desto sicherer würde sie sein.
    So gab es noch viel mehr Lektionen, die sie lernen mußte, und jetzt war nicht die Zeit, damit anzufangen. Lächelnd reichte sie Juaren das Bündel mit der Lebensseide, auf daß er
    die Hülle entfernte.
    »Meine Mutter, mein Vater und meine Schwester; hier ist jemand,

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