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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Farbe.«
    Darüber hatte er noch nie nachgedacht. Die Farbe der Uniform – Frauengedanken.
    »Was hast du eben gesagt?« Ina nahm den Blick von der Straße, was leichtsinnig war, und sah zu ihm herüber. »Stern …?«
    »Sterntaucher, ja.« Er legte den Kopf zurück. »So würde ich die Kneipe nennen. Taubenschlag klingt so doof.«
    »Was weißt du von Sterntauchern?«
    »Das sind halt Vögel. Sicher schöner als Tauben, wer mag schon Tauben.« Wovon hatten sie geredet, doch bestimmt nicht von Vögeln. »Ich trage die Uniform gern«, sagte er. »Sie drückt etwas aus, zum Beispiel, daß ich bereit bin, zu helfen. Darum erwarte ich auch Respekt, wenn ich sie trage, aber auf der Straße bekomme ich den nicht.«
    »Nein«, murmelte sie, »bist nur der Bulle, der Arsch.«
    »Tillmann hat mal gemeint, ich bin dümmer als die Polizei erlaubt.« Als sie nichts darauf sagte, wußte er, daß sie bei Tillmann schon gewesen war, aber hatte sie auch den Keller gesehen? Erneut fiel ihm auf, daß sie die Hände auf dem Steuer nicht ruhig halten konnte, und so sah er ihren tanzenden Fingerspitzen zu und dachte dabei an Tillmann, an sein rotes Gesicht, in dem die braunen Augen so leblos in den Höhlen hockten wie verschrumpelte Haselnüsse.
    Man durfte nicht böse sein bei Tillmann.
    Nie.
    Wer ein böser Junge war, mußte in den Keller, mußte in diesem kleinen, dunklen Raum auf der Pritsche liegen und darüber nachdenken, warum er böse war.
    Er hörte eine Hupe, der eine wütende Fahrradklingel antwortete, was so klang, als singe eine Schnapsdrossel gegen eine Operndiva an, doch selbst durch diesen Lärm hindurch drang Robins Stimme, die sich wie ein kleiner Geist durch alle Hindernisse wand, als sei aus seinem Bruder eine Stimme mit Flügeln geworden.
    Er weint, ja, Robbi weint. Nicht so, wie kleine Kinder heulen, nicht so greinend, eher heiser vor sich hin keuchend; ich mach den kalt, flüstert er, die Ratte bring ich um.
    Die Tür ist zu. Sie läßt sich nur von außen öffnen, diese dunkle, schwere Kellertür, zu der nur die Tillmanns einen Schlüssel haben, Klaus Tillmann und seine häßliche Frau. Sie beobachten die Tür und schnappen nach Luft, weil es so stickig ist und stinkt. Was haben sie getan? Viel. Wenig. Zu spät vom Schwimmbad gekommen, zu laut Musik gehört, die Hausaufgaben verschlampt, geflucht, gebrüllt, Dreck gemacht.
    Ich sag’s euch, schreit Tillmann, hört auf.
    Arsch, Arsch, Arsch, murmelt Robin, Wichser, Wichser, Wichser, und da springt Tillmann sie alle beide an, hat starke Arme mit kleinen Händen dran, aber es sind Kerkerhände mit Stahlfingern und damit schubst er sie und stößt sie vor sich her, und dann ist Zeit vergangen, dunkle Zeit, und sie hocken im Keller und warten auf Licht.
    Viele Jahre sind vergangen, als sie nach ein, zwei Stunden den Schlüssel quietschen hören im Schloß, sie sind uralte Männer und keuchen vor sich hin. Licht, ein bißchen davon, Licht und Tillmanns rotes Gesicht. Tillmann steht lächelnd da und fragt: Na? Wieder gut?
    »Dorian«, sagte Ina neben ihm, so leise und behutsam, wie sie auf dem Friedhof mit ihm gesprochen hatte, als er ihr sagte, daß der tote Junge zwischen den Gräbern sein Bruder war. »Komm jetzt, wir sind da.« Der Motor war aus, und vor ihnen leuchtete das grüne Licht des Taubenschlag.
    Es war noch nicht viel los. Nur ein paar Rentner standen am Tresen, verhalten ächzend nach jedem Schluck Bier, als würden sie ihr ganzes Berufsleben in diesem Moment noch einmal durchleben. Billa saß bei Karl Hufnagel unterm Fenster, sie redeten über Geld.
    »Kauf halt Aktien«, sagte Billa.
    »Scheißaktien«, rief Karl. »Da hab ich doch nichts in der Hand.«
    Karl war der Pächter und trotzdem ein Schnorrer, und im Grunde war er auch nicht Billas Mann, obwohl er sie geheiratet hatte. Karl Hufnagel wohnte woanders, kam ab und zu vorbei und versuchte, die Zeche zu prellen, weil er sie doch geheiratet halte. Merkwürdige Leute. Dorian würde das nicht dulden, er würde jedes Aas vor die Tür setzen, das auch nur ein einziges Mal sein Bier nicht bezahlte.
    Die Kommissarin steuerte einen Ecktisch an und fragte ein bißchen überheblich: »Was gibt’s denn hier?« Sicher, so wie sie sich herausputzte, legte sie wohl Wert auf andere Lokale. An einem Samstag, als er vom Markt gekommen war, hatte er sie einmal mit ihrem Freund im Café Größenwahn gesehen, wo sie blinzelnd draußen in der Sonne dösten, ihr Kopf an seiner Schulter. Weil sie ausgesehen hatten, als

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