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Stinker!

Stinker!

Titel: Stinker! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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anderes zu denken.

    Also ich finde ja, Mr C übertreibt ein wenig mit der Wissenschaft. Er steigert sich da so rein, dass ihm kein Mensch mehr folgen kann. Wenn er über Wissenschaft spricht, da bin ich mir ziemlich sicher, dann vergisst er völlig, dass wir erst neun oder zehn Jahre alt sind. Ich denke mal, er blickt in unsere gelangweilten Gesichter, sieht aber lauter interessierte Wissenschaftler vor sich. Die meisten von uns träumen derweil schon vom Sportunterricht.
    Einige in meiner Klasse können ihn einfach ausblenden und an andere Dinge denken. Ich kann das nicht. Ich höre schmerzhaft jedes Wort, das er sagt. Manchmal versuche ich, mir vorzustellen, ich würde Tenlax’ Wiederkehr von der Seefahrt spielen, mein Lieblingsvideospiel am Computer. Ich versuche, den Joystick richtig in meiner Hand zu spüren. Ich versuche, den Bildschirm zu sehen und die Geräusche zu hören, doch immer endet es damit, dass ich Mr C zuhöre. Manchmal glaube ich, dassich der Einzige bin, der ihm zuhört, weil niemand jemals eine Frage stellt oder ihn auch nur ansieht.
    Normalerweise mache ich irgendwann den Fehler, ihn anzuschauen. Mein Vater hat mich immer ermahnt, von klein auf, jemanden anzusehen, wenn er mit dir spricht. Jetzt kann ich gar nicht anders, selbst wenn ich es nicht will. Das bringt mir Probleme, denn wenn Mr C Luft holt und sich umschaut, bin ich immer derjenige, der ihn anblickt. Das interpretiert er falsch, hält mich für interessiert und stellt Fragen.
    Heute hat er mich gefragt, was ich ändern würde, wenn ich irgendetwas auf der Welt verändern könnte. Ich hab nicht lange gezögert.
    »Meinen Sitzplatz.«
    Anthony drehte sich um und schaute mich an. Ich starrte zurück.
    »Stinker«, sagte er, und die Klasse kicherte.
    Und wieder habe ich nichts darauf gesagt.

Leben mit dem Oger
    Mein Dad nennt sie S.B.D . Das ist die Abkürzung für Silent but deadly . Leise aber tödlich. Und das sind sie ja auch, diese Fürze, man kann sie absolut nicht hören aber dafür stinken sie bestialisch. Dad scheint eine endlose Liste von witzigen Namen dafür zu haben. S.B.D. ist seine Lieblingsbezeichnung. Wir haben ja alle schon Erfahrungen mit S.B.Ds gemacht, jeder. Vielleicht bist du mal, wie mein Vater es nennt, »in einen reingelaufen«, im Einkaufszentrum, auf dem Schulflur oder im Supermarkt. Du kennst das, oder? Du gehst so vor dich hin, denkst an nichts Böses, und mit einem Schlag wird die Luft widerlich, und du möchtest am liebsten kotzen! Du guckst dich um und versuchst rauszufinden, wer es war, doch das ist unmöglich.
    In meinem kurzen Leben von neun Jahren hab ich bis jetzt nur einen Menschen kennen gelernt,der offen zugibt, einen Raum verpestet zu haben; ein Mensch, der sich auch noch an den Qualen zu erfreuen scheint, die die anderen erleiden müssen, wenn er das macht. Wenn das passiert, und es passiert ständig, setzt er sein breitestes Lächeln auf und sagt so etwas wie »oops« oder »der ist einfach so rausgeschlüpft«. Die Sache ist bloß die, dass keiner von denen »einfach so rausgeschlüpft« ist. Er macht das mit Absicht. Das weiß ich genau.
    Sein Gesichtsausdruck sagt alles. Er sieht nicht verlegen aus, sondern stolz. Mein Vater! An manchen Abenden lässt er alle fünfzehn Minuten einen fahren. Und die können sich sehen lassen.
    Ich nenne sie »D-Bomben«. Ich gehöre zu den Leidtragenden und hab mehr als genug »D-Bomben« abbekommen.
    An diesem speziellen Abend hat es sich neulich in etwa so abgespielt. Meine Familie und ich haben ferngesehen, und zuerst war ich mir nicht sicher. Wie ich schon sagte, den einen Augenblick ist alles wunderbar, und im nächsten funkt deine Nase SOS an dein Gehirn. Auf den Gesichtern um mich herum konnte ich dieselbe fassungslose Reaktion erkennen. Meine Schwester, die erst drei Jahre alt ist, flüchtete aus dem Zimmer und hielt sich die Nase zu. Ohne ein Wort zu sagen, war sie einfach aufgestanden,aus dem Zimmer gerannt und hatte sogar ihre Spielzeugprinzessin auf dem Boden zurückgelassen. Meine Mutter, die gerade eine Zeitschrift las, blickte langsam auf, neigte den Kopf etwas zur Seite und sah in meine Richtung.

    »Keith, warst du das?«, fragte sie. Sie fragt immer zuerst mich. Frag mich nicht, warum, denn es ist immer mein Vater. Vielleicht will sie nicht wahrhaben, dass sie mit so einem stinkenden Ungeheuer von Mann verheiratet ist.
    »Nein, das war ich nicht«, rief ich.
    »Bestimmt?«, fragte sie wieder.
    »Ma, ich bin neun Jahre alt. So

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