Stoerfall in Reaktor 1
mir.«
Der Wachmann zögert. Als vom Gang her Schritte zu hören sind, dreht er sich zur Tür.
»Was ist hier los? Was haben Sie in meinem Büro zu suchen?«
Hannahs Vater!
Lukas tauscht schnell einen Blick mit Hannah. Die zuckt mit den Schultern und verdreht die Augen.
»Entschuldigung, Herr Doktor«, stammelt der Wachmann. »Es ist nur so, dass … Also, ich habe meine Runde gemacht, und die beiden da gehören zum Catering und werden unten schon gesucht, weil sie sich ohne Erlaubnis aus dem Konferenzbereich entfernt haben, aber ich wusste ja nicht, dass das Ihre Tochter ist …«
Während er redet, schiebt sich Hannahs Vater an ihm vorbei in den Raum. Er ist eindeutig irritiert, als er Hannah und Lukas vor sich sieht, aber er braucht nur ein oder zwei Sekunden, dann hat er sich wieder gefangen.
»Allerdings, das ist meine Tochter, ja.«
»Und Sie waren auf … der Toilette?«
»Was?«
»Entschuldigung, aber ich muss das fragen.«
»Ich verstehe nicht …«
»Er will wissen, ob du wirklich auf dem Klo warst«, mischt sich Hannah ein. »Weil wir gerade allein in deinem Büro waren, als er kam.«
»Ja, natürlich. Auf der Toilette, ja. Dann dürfte ja jetzt alles geklärt sein«, fügt Hannahs Vater hinzu. »Ich kümmere mich um die beiden und nehme sie mit runter. Sie können dann weiter Ihre Runde machen.«
»Ich weiß nicht«, erwidert der Wachmann unschlüssig. »Irgendwas gefällt mir nicht an der Geschichte hier.«
»Mir auch nicht, das können Sie mir glauben«, sagt Hannahs Vater und schiebt ihn zur Tür. »Aber ich muss jetzt auch wirklich los. Ich habe eine Rede zu halten.« Er blickt auf seine Uhr. »In zehn Minuten soll ich anfangen, gleich im Anschluss an Dr. Schröder. Also bitte, ja …?«
Er geht die zwei Schritte zur Sitzecke und greift nach der bunten Einkaufstasche, die Lukas vorhin schon aufgefallen war. Die Tasche scheint ziemlich schwer zu sein.
»Und was ist das?«, fragt der Wachmann prompt.
»Bitte? Das sind ein paar Privatsachen, die ich nachher mit nach Hause nehmen will. Aber ich wüsste nicht, was Sie das angeht.«
»Darf ich mal?« Der Wachmann streckt die Hand nach der Tasche aus.
Lukas hält unwillkürlich die Luft an.
Hannahs Vater zieht einen Prospekt aus der Tasche. »Reiseprospekte«, sagt er. »Ich habe in den Mittagspausen den Herbsturlaub mit meiner Familie geplant.«
»Wandertouren durchs schöne Saarland«, liest der Wachmann halblaut den Titel des Prospekts vor.
»Zufrieden?«, fragt Hannahs Vater.
Der Wachmann zeigt wieder auf die Tasche. »Alles nur Prospekte?«
»Echt, wir fahren ins Saarland?«, ruft Hannah mit gespielter Begeisterung dazwischen. »Das wollten wir doch schon immer mal, da wird sich Mutti aber freuen! Da können wir auch Oma und Opa besuchen!«
»Sollte eine Überraschung werden«, sagt Hannahs Vater. Er tritt dicht an den Wachmann heran. »Und jetzt reicht es mir aber, Herr …« Er wirft einen Blick auf das Namensschild. »Herr Krawatz, Sie können uns gerne mit nach unten begleiten, wenn sie wollen, aber wir gehen jetzt.«
Er gibt Lukas und Hannah mit dem Kopf ein Zeichen, dass sie ihm folgen sollen. Der Wachmann geht unwillig hinterher und nimmt mehrmals sein Walkie-Talkie hoch, um es dann doch nicht zu benutzen. An der Tür zum Fahrstuhl sagt er: »Ich muss eine Meldung machen. Sie haben unbefugte Personen mit in Ihr Büro genommen.«
»Tun Sie das«, antwortet Hannahs Vater nur.
Im Fahrstuhl starrt er abwesend auf die Leuchtdioden über der Tür, die das jeweilige Stockwerk anzeigen. Der Wachmann lässt den Blick nicht von der Einkaufstasche. Lukas versucht vergeblich, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen. Hannah hat die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen und scheint ebenfalls angestrengt nachzudenken. Sie vermeidet jeden Blickkontakt mit Lukas.
Als der Fahrstuhl im Erdgeschoss hält, kommen zwei weitere Sicherheitsleute auf sie zugeeilt.
»Ich hab sie gefunden«, erklärt der Wachmann. »Im Büro von Dr. Wellner.« Er zeigt mit dem Daumen auf Hannahs Vater, der sofort hinzusetzt: »Meine Tochter und ihr … Freund, das ist okay, sie haben nur die Gelegenheit genutzt, weil sie ja sowieso schon mal im Haus waren.« Er wendet sich an Hannah und Lukas. »Ihr müsst arbeiten, nehme ich an, und ich auch, wir sehen uns später. Und was die Meldung angeht«, sagt er zu dem Wachmann, »da übernehme ich natürlich die volle Verantwortung, aber das klären wir bitte im Nachhinein, jetzt habe ich Wichtigeres zu tun.«
Mit
Weitere Kostenlose Bücher