Stolz der Kriegerin
geschnallt hatte. Doch gerade die Waffe hatte es in sich. Obwohl der Sänger bei den Tivenga zu den weniger Begabten zählte, spürte er die Magie der Waffe. Um mit dem Wardan gleichziehen zu können, musste er alles aufbieten, was er besaß.
»Solltest du gewinnen, erhältst du meinen gesamten Besitz. Ich werde sogar auf das Lendentuch verzichten und meinen weiteren Weg nackt antreten!« Damit legte er einen kleinen Beutel mit Geld und ein paar magische Amulette auf den Tisch, den zwei Einheimische herbeigebracht hatten.
Rogon folgte seinem Beispiel und fragte dann, wer anfangen sollte.
Für einen Augenblick zögerte der violette Barde, wies dann aber mit dem rechten Daumen auf sich selbst. »Ich werde anfangen«, erklärte er in der Absicht, seinen Gegner gleich durch einen grandiosen Beitrag in die Schranken zu verweisen.
Mit einem zustimmenden Nicken trat Rogon beiseite und lauschte, als der andere die ersten Akkorde anschlug und zu singen begann. Der Barde war wirklich gut. Anders als vorher konzentrierte er sich jetzt und leistete sich keine Flüchtigkeitsfehler mehr. Da der Mann zudem auf die Sympathie der Einheimischen zählen konnte, wusste Rogon, dass es schwer sein würde, ihn zu besiegen. Einen Moment lang ärgerte er sich, weil er sich zu diesem Wettkampf hatte hinreißen lassen. Dann aber schüttelte er alle belastenden Gedanken ab und streichelte die alte Laute. Wer auch immer auf diesem Instrument gespielt hatte, dem wollte er sich würdig erweisen.
»Das hoffe ich für dich. Ich habe nämlich wenig Lust, die Lande durchstreifen zu müssen, um mein Schwert zu suchen«, erklärte Tirah, die in ihrem Leben zwar schon bessere Sängerinnen und Sänger erlebt hatte als den Tivenga-Barden, Rogon aber trotzdem wenig Chancen zumaß.
Der Sänger beendete seinen Vortrag unter dem Beifall der Anwesenden, verbeugte sich und sah dann Rogon herausfordernd an. »Mache es besser, wenn du es kannst!«
Mit einer Verbeugung vor den Zuhörern trat Rogon vor. Seine Gedanken wirbelten. Mit einem religiösen Hymnus an Ilyna, wie Seranah ihn ihm gelehrt hatte, würde er hier nichts erreichen, ebenso wenig mit einem der bei den Wardan beliebten Liebeslieder, zumal diese meistens im Duett gesungen wurden. Doch er hatte in Andhir noch ganz andere Lieder erlernt.
Die ersten Töne der Laute klangen wie Trommelschläge auf und irritierten den Barden und die Zuhörer, aber auch Tirah, die nicht begriff, was Rogon vorhatte. Dieser fühlte, wie seine Verbundenheit mit dem Instrument immer stärker wurde, und sang den ersten Ton. Es war der Ruf zum Kampf. Die Ligaijer kannten ihn, denn ähnlich wurde er auch in ihrem Land angestimmt. Eine Sängerin aus Mar hatte ihn vor vielen Jahrhunderten gesungen, als noch Eirun-Dämonen und Magier die Feinde gewesen waren und es gegolten hatte, die Grenze der eigenen Götterländer gegen einen erbarmungslosen Feind zu verteidigen.
Tirah hatte das Lied schon oft gehört und fiel in Gedanken unwillkürlich mit ein. Rogons Stimme durchdrang sie wie eine Welle, und sie spürte den Wunsch, in den Süden zu ziehen und den Feind über den Strom zurückzutreiben, so stark wie noch nie seit ihrem Erwachen.
Die Wirkung auf die Leute, die um Rogon herumstanden, war unbeschreiblich. Schon beim ersten Mal stimmten einige in den Refrain mit ein, und beim dritten Mal sangen ihn alle voller Begeisterung mit. Aus allen Häusern strömten die Leute, um den jungen Sänger zu hören, und selbst der eiligste Passant blieb stehen, um ja keine Strophe zu verpassen.
Wie lange Rogon sang, konnte er hinterher nicht mehr sagen. Als der letzte wirbelnde Akkord verklungen war, herrschte eine gespenstische Stille auf dem Platz. Dann aber brach ein Jubelsturm los. Junge Männer packten Rogon, hoben ihn auf die Schultern und trugen ihn über den Markt, Mädchen warfen ihm Kusshände zu, und selbst hartgesottene Veteranen wischten sich Tränen aus den Augen.
Auch Tirah war völlig verblüfft. »Wie hast du das gemacht?«, fragte sie Rogon.
»Was gemacht?«
»Dein Singen! Es war magisch – und es hat die Leute in seinen Bann gezogen. Bei Linirias, damit könntest du zehn Mann genug Mut einflößen, um gegen ein ganzes Heer bestehen zu können. Ich habe nur wenige magisch Begabte mit einer ähnlichen Stimme erlebt. Langsam flößt du mir Angst ein, Jüngelchen. Deinen Fähigkeiten nach müsste dich eine große Magierin über lange Jahrzehnte ausgebildet haben. Und da behauptest du, magisch eine taube Nuss zu
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