Stolz der Kriegerin
Rogon ihm nach. Er fühlte weniger Triumph über seinen Sieg als Mitleid. Tiefer als der Barde konnte ein freier Mann nicht fallen. Wenn der Violette nicht bald auf Freunde oder mitleidige Menschen traf, die ihm mit Kleidung und ein wenig Geld aushalfen, würde ihm nichts anderes übrigbleiben, als sich in Schuldsklaverei zu verkaufen und zu hoffen, irgendwann einmal genug Geld aufbringen zu können, um die Freiheit wiederzuerlangen.
»Und nun zu dir, Rogon a’Gree!«, fuhr der Stadtherr fort. »Nimm das, was du gewonnen hast, und verlasse ebenfalls meine Stadt. Auch du wirst sie drei Jahre lang nicht mehr betreten.«
»Wenn, dann nur, um dir aufgeblasenen Wicht den Hals umzudrehen«, kommentierte Tirah.
Rogon lachte in Gedanken, verbeugte sich mit einer knappen Bewegung und reichte dem Mann, von dem er die Laute hatte, das Instrument zurück.
Dieser nahm es, warf einen sinnenden Blick darauf und streckte es Rogon wieder hin. »Ich glaube nicht, dass ich oder ein anderer meiner Familie noch einmal darauf spielen werden. Behalte es, denn du hast es dir verdient. Und wenn du irgendwann einmal Krieger suchst, die mit dir ziehen wollen, dann schicke einen Boten zu mir.«
Der Mann meinte es ernst, und den Gesichtern der anderen war zu entnehmen, dass mindestens zwei Dutzend kräftige Burschen Rogon folgen würden, wenn er sie dazu aufforderte. Es war jedoch nicht seine Absicht, eine Schar nach Süden zu führen, zumindest zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Erst musste er Sirrin finden, um Tirah loszuwerden. Allerdings war das Zusammenleben mit ihr nicht so schlimm, wie er zunächst befürchtet hatte, denn sie benahm sich nach den ersten Auseinandersetzungen eher rücksichtsvoll. Doch er spürte, wie sehr sie sich nach einem eigenen Körper sehnte, und wollte alles tun, um ihr dazu zu verhelfen.
»Ich danke dir für die Laute und dein Vertrauen und werde es nicht vergessen.« Rogon reichte dem Mann die Hand, nahm dann den Besitz des Tivenga-Barden einschließlich der Kleidung an sich, und stieß einen für Menschen fast unhörbaren Pfiff aus, den einer der Veteranen seines Vaters ihn gelehrt hatte.
Im nächsten Augenblick schoss ein blauer Schatten heran, schlängelte sich durch die Leute und sprang auf seine Schulter. »Da bin ich wieder! Ich habe mir nur rasch eine Maus zum Frühstück gefangen«, meldete Jade sich und rieb ihren Kopf an Rogons Wange.
»Dann hast du besser gespeist als wir. Wir haben nämlich nichts zwischen die Zähne bekommen!« Rogon sagte es nicht allzu laut, doch eine der Marktfrauen hörte es, und als er kurz darauf in Richtung Stadttor schritt, tauchte sie neben ihm auf und reichte ihm einen Beutel, aus dem es verführerisch duftete.
»Lass es dir schmecken, Rogon a’Gree!«, rief sie, winkte und eilte zu ihrem Marktstand zurück.
»Wenigstens müssen wir nicht hungern.« Tirah klang zufrieden, aber auch ein wenig ratlos. Hatte sie Rogon zunächst für einen ganz normalen Wardan-Prinzen gehalten, dessen magischen Fähigkeiten enge Grenzen gesetzt waren, überraschte er sie jedes Mal aufs Neue.
»Dort vorne ist ein schattiger Ort, an dem wir rasten und essen könnten«, sprach sie weiter, da Rogon nicht sofort antwortete.
Er schüttelte jedoch den Kopf. »Die Zeit zum Essen ist noch nicht gekommen.«
»Ich habe aber Hunger!«, maulte Tirah und erinnerte sich dann erst daran, dass es nicht ihrer, sondern Rogons Magen war, der bei dem Duft, der aus dem Beutel drang, erwartungsvoll knurrte.
Rogon kümmerte sich jedoch nicht weiter um sie, sondern schritt stramm aus. Doch so leicht ließ Tirah sich nicht zum Schweigen bringen. »Was hast du mit den Sachen des Barden vor? Seine Harfe und seinen Dolch können wir ja verkaufen, aber die Kleidung und vor allem das Lendentuch hättest du zurücklassen können.«
»Warte es ab!«, beschied Rogon sie kurz und beschleunigte noch einmal seinen Schritt.
☀ ☀ ☀
Der Abend war bereits hereingebrochen, als vor ihnen eine einsame Gestalt auftauchte. Es handelte sich um den Barden, der mit hängenden Schultern nach Süden schritt und dabei die Dörfer mied, die zu der Provinz gehörten, in der er den Sängerzweikampf verloren hatte. Nackt, wie er war, konnte er unmöglich eine Siedlung betreten. Der Spott der Leute und die harte Hand der Behörden wären ihm sicher. Noch während er sich fragte, ob er sich nicht doch einen Lendenschurz aus Gras flechten oder richtige Kleidung stehlen sollte, hörte er hinter sich einen Ruf.
»He! So warte
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