Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
Vorschläge vorgebracht, nämlich einige Borde in den Schränken der oberen Zimmer anzubringen.
»Sehr freundlich und äußerst liebenswürdig«, meinte Mrs. Bennet, »sie muß eine ungewöhnlich angenehme Dame sein. Zu schade, daß nicht alle vornehmen Damen ihr ähnlich sind. Wohnt sie in Ihrer Nähe?«
»Nur ein schmaler Weg trennt den Garten, in dem mein bescheidenes Häuschen steht, von Rosings Park, dem Besitztum Lady Catherines.«
»Sagten Sie nicht, sie sei verwitwet? Wie groß ist ihre Familie?«
»Sie hat eine einzige Tochter, die Erbin von Rosings und eines beträchtlichen Vermögens.«
»Ach«, seufzte Mrs. Bennet und schüttelte den Kopf, »dann ist sie allerdings bedeutend besser gestellt als viele andere Kinder. Und wie ist das junge Fräulein? Sieht sie gut aus?«
»Das junge Fräulein ist eine ganz reizende junge Dame. Lady Catherine selbst meint, daß Miss de Bourgh den schönsten ihrer Altersgenossinnen überlegen sei. Denn außer Schönheit zeigt ihr Gesicht auch noch die unverkennbaren Zeichen ihrer vornehmen Herkunft. Leider kränkelt sie leicht, wodurch es ihr unmöglich gemacht wird, die Vollkommenheit in den verschiedenen weiblichen Künsten zu erlangen, die zu erreichen sie sonst gewiß nicht verfehlt haben würde. Dieses erfuhr ich von der Dame, in deren Händen Miss de Bourghs Erziehung lag und die noch auf Rosings wohnt. Aber sie ist eine sehr liebenswerte junge Dame und erweist mir oft die Ehre, in ihrem kleinen Ponywagen an meiner bescheidenen Behausung vorüberzufahren.«
»Ist sie bei Hofe vorgestellt? Ich erinnere mich nicht, ihren Namen in der ›Times‹ gelesen zu haben.«
»Nein, ihre angegriffene Gesundheit verbietet ihr ja den Aufenthalt in London; und dadurch ist — wie ich mich gelegentlich Lady Catherine gegenüber ausdrückte — der britische Hof seines leuchtendsten Schmuckes verlustig gegangen. Lady Catherine schien Gefallen an dieser Wendung zu finden. Und Sie können sich wohl denken, welche Freude es mir macht, bei allen Gelegenheiten solch feinsinnige kleine Komplimente zu äußern, die ihren Eindruck bei den Damen nie verfehlen. Mehr als einmal habe ich mir erlaubt, Lady Catherine zu versichern, daß ihre entzückende Tochter zur Herzogin geboren scheint und daß sie dem höchsten Titel nicht nur keine Unehre bereiten, sondern im Gegenteil erhöhten Glanz verleihen würde. — Solche kleinen Artigkeiten bereiten Lady Catherine ein großes Vergnügen, und ich fühle in mir die Begabung, sie auf das delikateste präsentieren zu können.«
»Und Ihr Gefühl täuscht Sie wahrlich nicht«, sagte Mr. Bennet. »Sie können sich glücklich preisen, dieses Talent, Schmeicheleien nur zart anzudeuten, in so hohem Maße zu besitzen. Darf ich fragen, ob diese angenehmen kleinen Aufmerksamkeiten der Regung des Augenblicks entspringen, oder sind sie das Ergebnis eines eingehenden Studiums?«
»Im allgemeinen lasse ich mich von meiner Eingebung leiten, aber es macht mir auch bisweilen Vergnügen, elegante Wendungen für mich auszudenken und zurechtzulegen, wenn ich auch immer bemüht bin, sie in einer möglichst natürlichen Weise, sozusagen aus dem Stegreif, vorzubringen.«
Mr. Bennets Erwartungen wurden noch übertroffen: sein Vetter war weitaus komischer, als er ihn sich vorgestellt hatte, und er hatte seinen Spaß an ihm, ohne seine Miene indes anderes als korrekteste Höflichkeit verraten zu lassen. Nur hin und wieder schweifte sein Blick für einen Augenblick zu Elisabeth hinüber, sonst brauchte er keinen Gefährten in seinem Vergnügen.
Später jedoch, als der Tee serviert wurde, freute er sich fast ebenso über die willkommene Unterbrechung: für den ersten Tag, fand er, reichte es ihm. Daher beeilte er sich auch, nach dem Tee seinen Gast zu bitten, den Damen etwas vorzulesen. Mr. Collins erklärte sich gern dazu bereit, und Lydia holte ein Buch. Als er es aber in die Hand nahm, verwandelte sich sein Eifer in Bestürzung, und er bat, ihn entschuldigen zu wollen, aber Romane lese er grundsätzlich nicht. Kitty sah ihn entgeistert an, und Lydia konnte einen erstaunten Ausruf nicht unterdrücken. Man legte ihm dann andere Bücher vor, und nach sorgfältiger Prüfung entschied er sich für eine Sammlung ›Erbaulicher Gespräche‹. Lydia riß Augen und Mund vor Entsetzen auf, als er den Band öffnete, und unterbrach ihn schon, bevor er noch drei Seiten mit eintöniger Feierlichkeit hatte zu Ende lesen können.
»Weißt du was, Mutter? Onkel Philips wird
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