Engelsleid (German Edition)
Prolog
Die Sache erlaubte keinen längeren Aufschub. Noch nie in den vergangenen Jahrhunderten war die Gelegenheit so greifbar gew e sen. Dabei suchten sie schon lange. Viel zu lange. Andererseits, was waren schon ein paar Jahrhunderte im Angesicht der Ewi g keit. Sie existierten länger als diese Menschen, diese Fehlen t scheidung Gottes, und länger als manches Getier auf der Erde. Und würden ihnen nicht dauernd diese Gottesgetreuen in die Quere kommen, wären sie schon längst die Herren über das g e samte Universum.
Umso mehr galt es zu handeln. Der Chef wurde immer ung e duldiger, und es war nicht zu leugnen, dass dies berechtigt war. Denn die Dringlichkeit, die Kinder der Engel zu finden, hatte an Brisanz zugenommen. Noch nie in den vergangenen Jahrhunde r ten war die Konstellation der Planeten so günstig gewesen, den got t verdammten Fluch zu brechen.
Alles passte zusammen. Die geballte Magie des Universums würde ihnen zur Verfügung stehen und sie würden ihresgleichen befreien – wenn bald, sehr bald, das dazu noch fehlende Blut zur Verfügung stand. Denn ohne diesen kostbaren Lebenssaft der wenigen besonderen Wesen, die der Schlüssel zur Befreiung der anderen, und damit zu unbegrenzter, unendlicher Macht waren, würde der Fluch nicht gebrochen werden. Niemals.
Die ganze Welt hatten sie durchkäm m t. Jahrhundert um Jahrhu n dert. Wann immer sie sich ihrem Erfolg nahe wähnten, erlitten sie einen neuen herben Rückschlag. Es war zum Verzweifeln. Zwei Schritte vor und eineinhalb zurück. Das Ziel vor Augen, zum Greifen nahe, aber im nächsten Augenblick eine zerplatzende Seifenblase.
Hilfreiche Anhaltspunkte gab es nicht. Die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu suchen , würde kaum schwieriger sein. Fün f hundert Jahre lang waren sie nun schon unermüdlich auf der S u che. Von Alaska bis Feuerland, von Grönland bis Kamtschatka, auf allen fünf Kontinenten und jeder noch so kleinen Insel. Im Großen und Ganzen hatten sie gelernt, die Ungeduld zu kontro l lieren, die sie angesichts der vielen Misserfolge wütend machte. Ihre Stunde würde kommen. Aber ab und an geschah etwas, was auf ihre e i gene Unbeherrschtheit zurückzuführen war. Dann bebte die Erde, spuckten Vulkane glühende Lava, verwüsteten Tsun a mis die Meeresküsten.
Wie dumm die Menschheit war. Sie lernte einfach nichts dazu und begriff überhaupt nicht, dass ihre technischen Errungenscha f ten ihr ebenso wenig nützte n wie Gebete an die diversen Gotthe i ten, die im Laufe der Geschichte favorisiert wurden. Denn wenn einer von Sariels Gefährten oder Satan persönlich die Nerven verlor und zuschlug, dann war die teuflische Magie nun mal stä r ker als die Natur.
Die vielen Religionen, die seit Jahrtausenden ihre Angehör i gen um sich scharten, schützten die Menschen nicht vor dem Unte r gang. Wo waren die Götter der Ägypter, der Römer, der Azteken geblieben? Inzwischen waren sie überholt, vergessen, Staub und Geschichte, abgelöst von einigen wenigen Weltreligi o nen, von denen jede mit Angst und Schrecken versuchte , ihren Status zu verbessern. Ging es den Menschen dabei besser? Kaum. Ihm war unverständlich, warum sie nicht begriffen, dass sich diese Relig i onen kaum voneinander unterschieden. Selbst die verfluchten Engel, die der erschaffen hatte, dessen Namen keiner von ihnen auszusprechen wagte, wurden unter verschiedenen Existenzen verehrt.
Die Menschen schienen nicht zu begreifen, dass ihre Gla u bensrichtungen auf derselben Basis gründeten. Zu eben dieser Basis zählte aber auch die andere , die dunkle Seite, der er ang e hörte, und die ebenfalls Teil jeder dieser Religionen war. Zufri e den lächelte er vor sich hin. Er war einer der Auserwählten, die sich mit Geschick und Diplomatie, die Vorlieben der Menschen au s nutzend, in ihr Leben schleichen sollten.
Zufrieden reckte sich Sariel und ließ mit grimmigem Lächeln seinen Blick über das weite Land schweifen, das sich unter ihm erstreckte. Bald, sehr bald würde dies alles ihnen gehören. Für immer und ewig. Dann wäre Schluss mit der Freiheit der Me n schen, Schluss mit ihren Religionen, Schluss mit Politik und Pa k tieren, Schluss mit ihrem armseligen Alltag, der erfüllt war von Missgunst und Geldsucht.
Dann würde es nur noch eine Herrschaft geben, die der D ä monen, und er selbst würde daran einen nicht unerheblichen A n teil erhalten. Das würde er sich auf keinen Fall nehmen lassen. Wenn er seine Sache gut machte, und daran zweifelte er
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