Stoppt das Euro-Desaster!
der Autobranche und besonders bei den Zulieferern ein. Das Unternehmen, in dem Frank arbeitet, war schon vor Jahren von einem Finanzinvestor übernommen und später einfach weiterverkauft worden. Ende 2010, als die Konjunktur wieder anzog, erzählte mir Frank, sein Unternehmen habe so viele Aufträge wie selten zuvor. Dennoch müsse sein Arbeitgeber Insolvenz anmelden, weil er die Last der ihm von den Investoren aufgebürdeten Schulden nicht mehr tragen konnte. Was war geschehen?
Der Finanzinvestor, der Franks Firma aus zweiter Hand gekauft hatte, lud dieser hohe Schulden auf, um seinen Einsatz schnell zurückzubekommen. Er hatte sich also, wie in der Branche üblich, durch eine Verschlechterung der Bilanz des Unternehmens refinanziert. Die Überlegung dahinter: Scheitert das Unternehmen daran, hat der Investor sein Kapital dennoch auf der sicheren Seite. Überlebt es, hat er nicht nur sein Startkapital zurück, sondern auch noch ein funktionierendes Unternehmen. Pech für Frank, dass bei ihm Ersteres der Fall war.
Der Begriff »Private Equity« ist ein Propagandabegriff der Finanzbranche. Früher hießen diese Unternehmen »Leveraged Buyout Firms«, also »Gehebelte Übernahmegesellschaften«, was der Realität wesentlich näher kommt, aber nicht sehr nett klang; »Private Equity« hört sich da schon besser an. Eine solche Gesellschaft sammelt Investorengelder und nimmt zusätzlich Fremdkapital auf, um Unternehmen aufzukaufen. Es gibt zwar auch sinnvolle Private-Equity-Investments, meist aber hat der Einstieg einer solchen Gesellschaft verheerende Folgen.
In dieser Manier sind Finanzinvestoren seit über einem Jahrzehnt mehrheitlich damit beschäftigt, ganze Bereiche der deutschen Wirtschaft zu verwüsten. Der ehemalige SPD -Vorsitzende Franz Müntefering prägte dafür 2005 den Begriff der »Heuschrecken« und stieß auf große Resonanz in der Bevölkerung. Leider hat die SPD daraus nichts gemacht. Das parasitäre Treiben vieler Finanzinvestoren geht bis heute unvermindert weiter.
Die Private-Equity-Gesellschaften profitieren dabei ganz konkret von einer Politik, die die Spielregeln zu ihren Gunsten festlegt. Sie müssen zum Beispiel wesentlich weniger bilanzieren als jeder Industriekonzern, während produzierende Unternehmen und Banken nach den Regelwerken IAS [20] und Basel II gezwungen sind, immer kurzfristiger und detaillierter zu bilanzieren. Zudem bekommt ein Finanzinvestor oft schneller und wesentlich billiger Kredit als ein produzierendes Unternehmen.
Die Basis einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist freilich das Eigenkapital . Wer viel eigenes Geld in ein Unternehmen oder eine Investmentgesellschaft steckt und damit haftet, wird sich in der Regel verantwortlicher verhalten als jemand, der vor allem mit fremdem und geliehenem Geld arbeitet. Aber die Finanzoligarchie hat es fertiggebracht, dass ausgerechnet die Investmentbanken und spekulativen Finanzgesellschaften kaum Eigenkapital vorhalten müssen, sondern fast grenzenlos mit fremdem Geld spekulieren können. Auch dies hat sie über ihre Lobbyisten und willfährige Politiker gesetzlich nett verpackt. Banken müssen nach den Regelwerken Basel II und Basel III zum Beispiel »Kernkapitalquoten« von fünf, sieben oder mehr Prozent vorhalten. Das klingt zunächst einmal gut, ist aber ein weiteres Einfalltor für die Herrschaft der Spekulation. Denn »Kernkapital« ist ein dehnbarer Begriff. Nur risikobehaftete Aktiva wie Investments und Kreditzusagen müssen mit Eigenkapital hinterlegt, also besichert werden. Und was risikobehaftet ist, definiert die Branche zweckmäßigerweise weitgehend selber. AAA -Staatsanleihen etwa gelten als risikolos und müssen nicht mit Eigenkapital hinterlegt werden.
Als Konsequenz hat zum Beispiel die Deutsche Bank weniger als zwei Prozent (!) Eigenkapital in ihrer Bilanz. Sollten also aufgrund einer Fehlspekulation ihre Vermögenswerte um zwei Prozent schrumpfen, wäre sie theoretisch insolvent. Darum muss sich die Deutsche Bank, wie viele andere Banken auch, allerdings keine Sorgen machen. Denn wenn sie sich verzockt, wird sie durch unsere Steuergelder gerettet. Im Gegensatz zu Mittelständlern, die oft mit ihrem eigenen Vermögen haften und immer härtere Auflagen erfüllen müssen. Das ist es, was ich als »Sozialismus für Banken und Finanzdienstleister« bezeichne: eine Wirtschaftsordnung, die Banken weitgehend vom Risiko der Spekulation freistellt und leistungsfreie Einkommen für Banken, Finanzdienstleister und
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