Stoppt die Hochzeit!
den Boden, streckte sich und gähnte. Der Gedanke, eine Runde in seinem eigenen Bett zu schlafen, klang verführerisch, aber er widerstand der Versuchung und schälte sich stattdessen auf dem Weg zur Dusche aus dem Anzug. Unangenehme Aufgaben erledigte man besser so schnell wie möglich, schlafen konnte er später immer noch. Um wirklich wach zu werden, betrat er die gläserne Duschkabine, während das Wasser noch kalt war.
Er ächzte unter dem eisigen Wasserstrahl, verteilte Rasierschaum über sein Kinn und rasierte sich. Sein Vater hatte mit dem Aussehen eines Rebellen mit ewigem Zwei-Tage-Bart seinen Lebensunterhalt verdient, und da sie sich ohnehin schon ähnlich genug sahen, wollte er niemandem einen weiteren Grund geben, sie miteinander zu vergleichen. Sein verdammter Vater. Warum konnte er nicht wie andere Fünfundsiebzigjährige sein: im Garten werkeln, nach Enkelkindern jammern, jeden Morgen, bevor die Geschäfte aufmachten, zum Walking ins Einkaufszentrum gehen.
Er lächelte schief, während er sich die Brust einseifte. Sein Vater würde noch auf dem Sterbebett tanzen. Er hoffte nur, sein Leben würde nicht so skandalös enden, dass die Presse mit einer letzten saftigen Schlagzeile aufwarten konnte.
Erfrischt zog er sich seine legere Country-Club-Kleidung an. Jeans wären ihm nach den ganzen Tagen im Anzug eine willkommene Abwechslung gewesen, aber er wusste, dass sein Auftreten in besserer Kleidung eindrucksvoller war. Während er seine Schuhe auf Hochglanz polierte, rief er bei der automatischen Telefonauskunft an und nannte den Namen Belle Coakley. Nach einer maschinellen Pause wurde er mit der Adresse und Telefonnummer der Frau belohnt. Er rief bei seiner Bank an, um ihnen mitzuteilen, dass er zwanzigtausend Dollar abheben wollte. Er hatte den Geliebten seines Vaters nie mehr als zehntausend Dollar zahlen müssen, damit sie verschwanden, aber da die zukünftige Braut eine Nachbarin war, musste er vermutlich noch etwas für einen Sommerurlaub weit weg von Atlanta drauflegen.
Er förderte seine Autoschlüssel zutage und verließ die Wohnung durch die Tür zur Garage. Er hatte den Mercedes seit mehr als einem Monat nicht mehr gefahren. Von ein paar unregelmäßigen Abstechern zum Haus seines Vaters und der einen oder anderen Verabredung zum Abendessen abgesehen, ging er überall zu Fuß hin oder fuhr in seinem schwarzen, viertürigen Pick-up. Eigentlich eine Schande, dachte er, als er die Tür der silbernen Limousine öffnete, die ›ein so tolles Auto‹ war – wie seine letzte Verabredung mindestens fünfmal erklärt hatte, noch bevor sie das Restaurant erreicht hatten.
Auf dem Weg zum Haus der Coakley-Frau – Bargeld in der Hand – staunte er darüber, wie sehr sich der Prozess in den letzten Jahren eingespielt hatte: Er hob eine Geldsumme ab, besuchte die Person, der sein Vater verfallen war, hielt eine geschliffene Rede darüber, wie weise es doch war, das Geld zu nehmen und zu verschwinden, und fuhr mit seinem Vater schließlich für ein paar Tage zu einem spontanen Golf-, Tennis-, Ski- oder Segelausflug. Falls sich sein Vater und das Mädchen weigerten, die Beziehung zu beenden, stellte er einen Privatdetektiv ein, der die Leichen in ihrem Keller ausgrub, und überreichte seinem Vater die schädlichen Informationen, ehe sie heimkehrten. Martin war für gewöhnlich zunächst sauer, stimmte Clay aber irgendwann zu, dass die Beziehung nicht funktioniert hätte, und wandte sich frohen Mutes wieder seinem üblichen müßigen Leben zu.
Diese geldgierigen Frauen zu bezahlen widerstrebte Clay, aber er hatte die Einigungen nach den Scheidungen seines Vaters verhandelt und wusste, dass Eheverträge nicht wasserdicht waren, besonders da sein Vater dazu neigte, in Augenblicken hitziger Leidenschaft das Blaue vom Himmel herunter zu versprechen. Obwohl er die Kapitalanlagen seines Vaters verwaltete, waren dessen finanzielle Reserven unterdessen fast völlig erschöpft. Er konnte großzügig für seinen Vater sorgen, und der letzte Scheck aus dem langwierigen Gerichtsverfahren würde Martins Konto wieder auffüllen, aber Clay war entschlossen, diese undichte Stelle zu stopfen. Folglich schien es ihm das Beste, jedwede Eheschließung gleich zu umgehen.
Er fuhr langsamer, um die Straßenschilder lesen zu können. Bisher hatten Martins Freundinnen immer in eher heruntergekommenen Apartmentblocks gewohnt – und schlimmerem. Er war überrascht, als er entdeckte, dass diese Frau ein recht hübsches Haus in
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