Stoppt die Hochzeit!
gewohnt hatte. Aber als die Mädchen acht Jahre alt gewesen waren, war Lisa mit ihrer Familie nach Illinois gezogen, und Annabelle wusste nicht mehr, wie oft das Haus den Besitzer gewechselt hatte, wie es bei den meisten Grundstücken dieser abgelegenen Nachbarschaft der Fall war, während die Stadtentwickler immer näher rückten. Das Nebeneinander der Wohngegenden konnte man heute am ehesten mit Südstaatenleben trifft Großstadtheim beschreiben.
Sie klingelte und lächelte breit, bereit, die Arme zu öffnen und ihre Mutter zur Begrüßung zu umarmen. Eine Minute später verschwand das Lächeln, und sie klingelte noch einmal. Wo konnte ihre Mutter um zwei Uhr nachmittags sein? Als die Erkenntnis sie einen Augenblick später überkam, biss sie sich auf die Zunge. Wahrscheinlich bei ihrem Freund. Oder eher – ihrem Verlobten. Sie verzog das Gesicht. Sie hatte dieses altmodische Wort nie leiden können. Verlobt. Es klang so harmlos, aber es verschleierte die tiefere Bedeutung: eingeschränkt. Gebunden. Gefangen.
Sie hob den glänzenden Messingklopfer und schlug damit laut gegen die Tür. Schließlich holte sie einen Schlüsselbund aus der Tasche und öffnete die Tür. Vielleicht war ihre Mutter hinten im Garten, also ging sie durch das Wohnzimmer zur Küche. Auf dem Weg dorthin musterte sie mit kritischem Blick die frisch gestrichenen Wände. Wo waren die Fotos von ihrem Vater? In der Küche hielt sie inne und starrte auf den Tresen.
War das ein schmutziges Glas? Und – sie rieb sich die Augen – lagen auf der Untertasse etwa Krümel ?
Nun, da hatte sie die Antwort: Eine unordentliche Person hatte offensichtlich ihre Mutter entführt und das Haus übernommen.
Sie ging zur gläsernen Schiebetür, öffnete sie und trat auf die Veranda, die ihr Vater vor ein paar Jahren gebaut hatte. »Mom?« Im Garten war niemand, aber sie blieb stehen und bewunderte die beiden Rosenbögen, die Belle seit ihrem letzten Besuch gepflanzt hatte, purpurne Damaszener-Rosen und Americana Red, falls die Lehrstunden ihrer Mutter hängen geblieben waren und sie sich nicht irrte. Ihre Mutter hatte einen grünen Daumen, und der malerische Garten spiegelte dieses Talent wider, von den seltenen Stauden bis hin zu den einjährigen Sommerblumen wie der gewöhnlichen Schwarzäugigen Susanne. Sie betrachtete die versetzt gepflanzten hüfthohen Büsche und winterharten Pflanzen am Übergang des Gartens in das Wäldchen dahinter und zog die Augenbrauen zusammen, als sie einen ausgetretenen Pfad entdeckte, der über den Rasen in Richtung des korallenroten Hauses führte.
Grundgütiger, sie hatten sich im wahrsten Sinne des Wortes einen Weg zueinander gebahnt.
Der hintere Teil des hoch aufragenden Gebäudes war von hier aus besser zu sehen, genau wie der Sichtschutzzaun, der, wie sie annahm, den Garten hinter dem Haus umgab. Zusätzlich zu der enormen Größe unterschied sich das Haus auch durch seine riesigen venezianischen Fenster sowie die Kupferornamente am Dach von den anderen in der Straße.
»Mom? Ich bin es«, rief sie vorsichtig, war aber beinahe erleichtert, als sie keine Antwort erhielt. Sie zog es vor, allein mit ihrer Mutter zu reden, bevor sie den berüchtigten Mr Castleberry kennenlernte.
Ihre Mutter würde vermutlich bald zurückkommen, also ging sie ins Haus zurück und ließ das Wasser in der Dusche im Badezimmer neben ihrem alten Zimmer laufen. Während es warm wurde, ging sie in das Bad ihrer Mutter und suchte einen Bademantel, aber statt Belles alten Baumwollkleidern und gesteppten Hausmänteln fand sie seidene Morgenröcke im Kimonoschnitt. Kurze Morgenröcke. Sie starrte die regenbogenbunte Sammlung an, entschied sich schließlich für das züchtigste Kleidungsstück, ein blaugrünes gewickeltes Etwas, das ihr bis auf die Oberschenkel reichte, und begab sich zur Dusche zurück.
Bei dem Gedanken, dass die Dessouskollektion ihrer Mutter umfangreicher war als ihre eigene, kniff sie die Augen zusammen und schrubbte sich den Kopf noch fester.
Clay schloss die Tür zu seinem Loft auf und gab das Passwort für die Alarmanlage ein. Der Geruch frischer Farbe stieg ihm in die Nase, und er stöhnte. Er hatte vergessen, dass er den Auftrag gegeben hatte, seine Wohnung neu zu streichen, solange er in Paris war. Zwei Trittleitern, mehrere 20-Liter-Eimer Farbe und meterlange Folien zierten den Flur.
Sein Rücken schmerzte vom langen Flug, und seine Augen fühlten sich trocken an. Er stellte seine Reisetasche und die Aktentasche auf
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