Storm
Schuhe ausgezogen und trägt lediglich Jeans.
Ich bringe keinen Ton hervor, mein Blick schweift ständig von ihm zur Matratze. Hat er sich hier mit diesem Luke vergnügt? Allein die Vorstellung, wie sich die beiden nackt darauf gewälzt haben, reicht mir, um meine brennende Übelkeit wieder aufleben zu lassen.
Am Kopfende der Matratze steht ebenfalls eine Kerze im Glas, deren Flamme zittert. Ein aufgeschlagenes Buch liegt daneben, die Seiten werden vom Wind, der ums Haus pfeift, hin und her geblättert.
»Lass mich allein«, sagt Storm plötzlich, ohne sich umzudrehen. Er befindet sich so nah an der Kante, dass ich befürchte, er könnte jede Sekunde abstürzen. Der milde Wüstenwind zerrt an seinem Haar und der Hose.
»Bitte geh vom Rand weg.« Wie erstarrt verharre ich im Raum, aus Angst, eine unbedachte Bewegung könnte Storm zum Fallen bringen.
»Ich stehe jeden Abend hier«, antwortet er.
Vorsichtig mache ich zwei Schritte auf ihn zu. »Die Stelle sieht porös aus. Sie könnte wegbrechen.«
»Das weiß ich«, sagt er ungerührt, wobei er mir weiterhin den Rücken zukehrt.
Oh Gott, er wartet nur darauf! »Verdammt, Storm, ich hab dich nicht zusammengeflickt, damit du dein Leben gleich wieder wegschmeißt!«
Schnaubend lässt er den Kopf sinken.
So behutsam wie möglich mache ich zwei weitere Schritte. »Ich lasse nicht zu, dass du dein Leben wegwirfst, wo ich alles getan habe, um es zu retten. Ice wäre deshalb fast draufgegangen!« Wenn ich ihn schon nicht überzeugen kann, dann helfen vielleicht andere Argumente.
»Das mit Ice tut mir leid.« Als er in die Hocke geht, springe ich fast in die Luft, aber er greift nur nach einem losen Betonstück, um es in die Wüste zu schleudern. »Du hättest dir nicht solche Mühe geben brauchen. Es war Verschwendung.«
Verdammter Kerl!
Langsam schleiche ich näher. »Sag mir doch bitte endlich, was du hast. Rede mit mir!«
Depressionen hin oder her, meine Gefühle gehen mit mir durch. Meine Stimme wird lauter, all der angesammelte Frust bricht sich Bahn. »Hast du überhaupt eine Ahnung, wie ich mich fühle? Hast du ein Mal gefragt, wie es mir geht? Du bist unglaublich egoistisch!«
»Besser, du erkennst mein wahres Ich jetzt, bevor es zu spät ist.«
»Komm endlich da weg!« Ich mache einen großen Schritt auf ihn zu, um ihn an der Schulter zurückzureißen, da gibt die Kante unter meinen Schuhen nach.
Für den Bruchteil einer Sekunde starren wir uns an, dann entfährt mir ein schriller Laut, während ich falle.
»Mark!« Blitzschnell greift er nach meiner Hand und geht auf die Knie, mein Arm wird nach oben gerissen und ich spüre einen heftigen Zug in meinem Schultergelenk.
Aber Storm hat mich.
Ich baumle zwölf Stockwerke in der Luft und stehe Todesängste aus. »Lass mich nicht fallen!«, brülle ich wie ein Irrer. Meine überdehnte Schulter schmerzt höllisch, ich schwitze, mein Puls flattert. Der Wind umspielt meinen Körper, zupft an meiner Kleidung und wirbelt durch meine Haare. Panik vernebelt meine Sinne, ich kann kaum noch etwas sehen oder hören.
Storms Stimme dringt wie ein Rauschen an meine Ohren: »Ich lass dich nicht los, aber hör auf zu zappeln!«
Okay, Mark, reiß dich zusammen, oder du wirst sterben!
Ich konzentriere mich auf Storm, schaue nur ihn an, versuche zu vergessen, dass unter mir der Tod lauert.
Storm krallt die Finger der anderen Hand um einen Stahlträger und spannt den Arm an, mit dem er mich hält. Es ist der, durch den die Kugel ging. Sein Bizeps wölbt sich, seine Kiefer sind zusammengepresst, Schweiß bildet sich auf seiner Stirn. Ich sehe alles wie in Zeitlupe. Wenn er mich loslässt, bin ich tot.
Seine Pupillen sind riesig, die Augen wirken fast schwarz, dann kneift er die Lider zusammen und fletscht die Zähne. Unsere Finger werden feucht, mein Gewicht zerrt an seiner operierten Seite. Storms Augen tränen.
Ich gebe mir alle Mühe, mit den Beinen nicht in der Luft zu treten und versuche, mit meiner freien Hand die Kante zu greifen, aber sie bricht immer weg. Mein Atem rast und doch bekomme ich keine Luft, meine Schulter brennt wie Feuer.
Mit einem Schrei reißt er mich in die Höhe, legt die Arme um mich und lässt sich mit mir auf die Matratze zurückfallen.
Ich liege auf ihm, unsere Herzen trommeln aneinander.
Storm schließt die Augen und hält mich fest an sich gedrückt. Seine Lunge pfeift, und ich habe Angst, dass die Anstrengung ihm geschadet haben könnte. Er hat sich zu sehr verausgabt.
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