Storm
Kapitel 1 – Lebensmüde
Ich bin lebensmüde. Anders kann ich mir nicht erklären, warum ich vor Storms Wohnungstür stehe. Wenn er herausfindet, dass ich für die Rebellen arbeite, dann Gnade mir Gott.
»Okay«, murmele ich, kralle die Finger um die Henkel meiner Arzttasche und hole tief Luft, bevor ich auf den Klingelknopf drücke. Ich fühle mich äußerst unwohl, weil ich mich im Wohnblock der Soldaten befinde. Wieso begebe ich mich auch in die Höhle des Löwen? Ich hätte absagen können.
Verdammt, der Kerl hat mir den Kopf verdreht. So etwas ist mir noch nie passiert, nicht einmal bei Samantha hatte ich solche Schmetterlinge im Bauch. Vielleicht einen winzig kleinen, aber die hier sind groß wie feuerspuckende Drachen, die meinen Magen in Brand setzen.
Als die Wohnungstür aufgeht, schlucke ich schwer. Storm scheint gerade aus der Dusche gekommen zu sein. Er trägt lediglich ein Handtuch um die schmalen Hüften.
»Hi, Mark, endlich!«, begrüßt er mich mit einem strahlenden Lächeln. Er stützt sich am Türrahmen ab und beugt sich vor, sodass sein Gesicht genau auf derselben Höhe wie meines ist.
»Hi«, krächze ich und kann mich an dem athletischen Körper kaum sattsehen. Das macht der Kerl mit Absicht! Damit ich ja se ine makellose Gestalt und reichlich nackte Haut bewundern kann. Sie ist ein wenig dunkler als meine und schimmert wie Seide, genau wie sein pechschwarzes Haar, das er zu unzähligen Zöpfchen geflochten hat. Es reicht ihm bis zu den Schultern, und ich würde gerne die Hände darin vergraben.
Am auffälligsten an diesem perfekten Körper sind seine Augen. Ich könnte mich in ihnen verlieren. Das helle Braun mit den dunklen Sprenkeln fasziniert mich. »Wie geht’s deinem Bein heute?«
»So la la«, antwortet er grinsend und leckt sich kurz über die Lippen. Sie wirken unglaublich anziehend auf mich. Dieser perfekte Schwung … Nicht hinsehen! Aber wo soll ich hinsehen? An diesem Kerl ist alles verlockend wie eine verbotene Süßigkeit. Er weiß genau, dass er mich durcheinanderbringt, denn sein Grinsen wird breiter. Seit Wochen baggert er mich an, und lange kann ich seinem jugendlichen Charme nicht mehr widerstehen. Ich sollte am besten gehen. Gleich! Doch ich kann nicht. Wie festgewurzelt stehe ich vor der Tür und starre ihn an.
Storm hat sich während der Warrior-Ausbildung den Oberschenkel gebrochen. Beim genaueren Hinsehen erkennt man, dass der Muskel im linken Bein ein wenig schmaler ist. Ich hatte ihn operiert, er lag drei Wochen auf der Krankenstation und ist vor Langweile fast gestorben. Da habe ich ihm auf meinem Tablet-PC das Computerspiel gezeigt, das ich programmiert habe. Programmieren ist neben meinem Beruf als Chirurg mein großes Hobby. Storm war sofort begeistert von dem Denkspiel, bei dem man Kisten verschieben muss, um zum Ausgang zu finden. Mit jedem Level wird es schwerer. So viel Intelligenz hatte ich ihm erst gar nicht zugetraut, doch die Warrior scheinen auf allen Ebenen die besten Gene mitbekommen zu haben.
Ich habe nach meiner Schicht mit ihm gespielt, und später haben wir uns bei mir daheim verabredet. Seitdem sind wir Freunde. Wir treffen uns möglichst heimlich, da das Regime Freundschaften zwischen Warrior und Leuten aus dem Volk nicht gutheißt, daher bin ich als sein Arzt hier. Ich musste dem Pförtner sogar meinen Ausweis zeigen.
Vor Kurzem hat Storm die Ausbildung abgeschlossen und darf sich nun Warrior nennen. Na ja, eigentlich hat er sie frühzeitig beendet, genau wie ein anderer Krieger in seiner Einheit: Nitro. Der Senat brauchte Nachschub. So oder so gefällt mir das nicht, ich sollte unsere Freundschaft abhaken, mich nicht mehr mit dem Mann treffen. Aber das schaffe ich nicht.
»Fühl dich wie zu Hause«, sagt er, stößt sich vom Rahmen ab und winkt mich herein.
Ich folge ihm in die chaotische Bude, wobei ich den Blick nicht von dem Knackpo abwenden kann, über den sich das Handtuch spannt. Storm humpelt nicht, rein gar nichts deutet darauf hin, dass er Schmerzen hat. Trotzdem hockt er sich aufs Bett und deutet auf seinen Oberschenkel. »Kannst du mal nachsehen, ob alles okay ist? Fühlt sich irgendwie komisch an. So hart.«
Ich schlucke. Hart … Als ich sein Bein während der Nachbehandlung massiert habe, wurde etwas ganz anderes hart. Storm hatte einen Steifen, und ich dazu! Da habe ich mich zum ersten Mal gefragt, ob ich auf Männer stehe. Das wird in White City akzeptiert und ist nicht das Problem, aber … Wieso finde ich
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