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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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der Dunkelheit fest wie lodernde Pfeile an einem schwarzen Teppich.
    Er zog das Henry-Gewehr aus dem Futteral am Sattel, spannte den Hahn, setzte sich dann wieder auf seinen Platz und beobachtete die Augenpaare. Sie kamen etwas näher. Er hob das Gewehr, zielte zwischen zwei der leuchtenden Punkte und drückte ab. Das Augenpaar verschwand, während die anderen sich überschlugen, als würden glühende Kohlestückchen durcheinandergeworfen. Dann waren auch sie fort.
    Der Reverend saß da und wachte. Ungefähr eine Stunde später tauchten die Augen wieder auf. Er legte mit dem Gewehr an, aber bevor er schießen konnte, stürzten die Augen erneut davon. Hinter sich hörte der Reverend das Pferd schnauben, und ohne sich umzudrehen, redete er besänftigend darauf ein. Das Pferd schien sich in der Höhle einigermaßen wohlzufühlen – wahrscheinlich konnte es wittern, was dort draußen lauerte.
    Jebidiah blieb die ganze Nacht vor der Höhle sitzen. Der Morgen zeigte sich schließlich als violetter Streifen, der wie ein ausgebreitetes Gewand auf die Schlucht herabschwebte, nach und nach rötlich wurde und dann die Farbe von Inkagold annahm. Allmählich wurde die Luft wärmer.
    Der Reverend gab dem Pferd etwas von dem Getreide, das er in einem Sack dabei hatte, und aß selbst etwas Dörrfleisch. Erst kurz vor Tagesanbruch war das Feuer ausgegangen, kurz bevor das Holz, das er gesammelt hatte, aufgebraucht war, sodass ihn nichts mehr vor der Kälte und den Waldbewohnern schützte. Genau wie er geplant hatte.
    Jebidiah ging zu der Stelle, wo er die Augen hatte zu Boden gehen sehen. Die Erde war dort aufgewühlt, und er entdeckte etwas Dunkles, Ausgedörrtes, und einige Fußabdrücke, die sich zwischen den Felsen verloren. Die Abdrücke waren breit und nicht sehr lang, und zwischen ihnen waren Schleifspuren zu erkennen, als wäre ein schwerer Schwanz hinter ihnen hergezogen worden.
    »Tatsächlich, Kobolde«, sagte der Reverend laut. Er ging zur Höhle zurück, breitete die Pferdedecke aus und schlief mit dem Hut über den Augen ungefähr zwei Stunden. Dann stand er wieder auf. Er nahm eins der Bücher mit Sagen und Märchen aus seiner Satteltasche und las darin. Während er las, nickte er hin und wieder, und machte sich mit Dingen vertraut, die er eigentlich schon wusste.
    Er gelangte zu der Feststellung, dass sein Pferd ihn jetzt wieder tragen konnte, sattelte es und ritt auf dem Weg, der sich in die Berge hinaufschlängelte, die Schlucht entlang.
    Das Bergarbeiterlager roch nach Bergarbeitern, nur schlimmer. Es stank nach getrocknetem und wieder getrocknetem Schweiß, nach Bohnenfürzen und nicht abgewischten Ärschen. Der Reverend rümpfte die Nase. Die große Mine war als riesiges schwarzes Maul im Fels zu erkennen. Dort oben war niemand. Der Reverend vermutete, dass die Kobolde alle Arbeiter vertrieben hatten.
    Während er ins Lager ritt, sah er fleckige Zelte und einige Verschläge, die an einer Seite offen waren und in denen Krüge mit Schnaps verkauft wurden. Zwischen einigen Bäumen waren Tücher gespannt, hinter denen sich Huren verbargen. Von seinem Pferd herab konnte Jebidiah jedoch ihre Köpfe sehen sowie die Köpfe der Bergarbeiter, die hinter ihnen standen. Die Frauen hatten die Kleider gerafft und stützten sich mit den Händen an Bäumen ab, während die Arbeiter sie von hinten nahmen.
    Ein Stück weiter sah der Reverend eine nackte Frau im Schlamm liegen. Um sie herum standen einige Schweine, die an ihr schnüffelten. Als er an ihr vorbeiritt und auf sie hinabschaute, stellte er fest, dass sie schon lange tot war. Jemand hatte ihr von einem Ohr zum anderen die Kehle durchgeschnitten, vielleicht weil er sich ums Bezahlen hatte drücken wollen. Eins der Schweine beschnupperte ihr aufgedunsenes Gesicht. Der Reverend nahm sein Gewehr aus dem Futteral und stieß das Schwein damit an, um es zu verscheuchen. Die tote Frau ließ er liegen.
    Der schlammige Weg führte ihn an einem großen, mit Schindeln verkleideten Holzhaus vorbei, neben dem weitere solcher Häuser standen, die allerdings kleiner waren. Das große Gebäude war nicht besonders groß, es wirkte nur im Vergleich zu den anderen so. Vor dem Haus hielt der Reverend an, stieg vom Pferd und band die Zügel an einen Pfosten, in den Nägel getrieben waren, damit man Pferde daran festmachen konnte.
    Er schaute sich um. Hinter Felsen und Bäumen kamen Bergarbeiter hervor und liefen auf ihn zu, oder wohl eher auf sein Pferd. Er hatte den Eindruck, dass es weg

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