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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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großen Schmerzen, aber du wirst dich nicht bewegen können, und sobald es dunkel wird, kommen die Wölfe und die Kojoten. Solltest du es wirklich schaffen, die eiskalte Nacht zu überstehen, kommen dich morgen Bussarde, Krähen und andere Aasfresser besuchen. Von den Ameisen ganz zu schweigen. Dann wirst du deine Arme aber nicht mehr bewegen können, um sie dir wenigstens aus den Augen zu wischen. Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich nicht diesen Weg in die Dunkelheit wählen.«
    Der Mann betrachtete den Reverend eingehend. Er konnte nur seinen Kopf, die Augen und den Mund bewegen.
    »Hier riecht’s irgendwie nicht richtig«, sagte er dann. »Und ich seh überall Schatten.«
    »Das sind die Schatten der Hölle, mein Freund. Sie warten auf der anderen Seite auf dich und versuchen, dich zu ergreifen, bevor du ganz und gar bereit bist. Und der Geruch kommt aus deiner Hose.«
    »Die Hölle? Das sind Schatten aus der Hölle?«
    »Meiner Meinung nach, ja. Du bist nicht gerade ein Sonntagsschüler. Als Prediger kann ich das ganz gut einschätzen. Das ist eines meiner Talente.«
    »Sie sind ’n Prediger? Das kann gar nicht sein.«
    »Doch, so ist es.«
    »Gott hätte nicht gewollt, dass Sie das tun, was Sie da getan haben.«
    »Da kennst du Gott aber nicht so gut wie ich. Unter gewissen Umständen kann er erstaunlich flexibel sein.«
    »Beten Sie für mich, Reverend.«
    »Wie war das mit den Kobolden?«
    »Helfen Sie mir, wenn ich’s sage?«
    »Das wäre möglich.«
    »Im Bergwerk, tief drinnen, da hausen welche. Die haben schon fast alle Arbeiter vertrieben. Ein paar graben noch, aber die meisten sind abgehauen. Wir hätten das nicht gemacht, was wir mit Ihnen versucht haben, wenn wir nicht Geld für was zu essen gebraucht hätten.«
    Das Gesicht des Reverend war völlig ausdruckslos. »Das rechtfertigt natürlich alles.«
    »Wir hatten keine Wahl. Die Schatten werden immer dunkler. Ich kann Sie gar nicht mehr richtig sehen.«
    »Trotzdem, mit dir ist es noch lange nicht vorbei. Die Schatten kommen und gehen. Es kann noch viel passieren, bevor sie dich mit in die Hölle nehmen.«
    »Bitte beten Sie für mich.«
    »Tja, mein Freund, ich muss jetzt leider los, mein Pferd einfangen.«
    »Lassen Sie mich nicht so zurück. Um Himmels willen, sprechen Sie ein Gebet für mich.«
    Der Reverend nickte und sprach ein Gebet. »Fühlst du dich jetzt besser?«, fragte er, als er fertig war.
    »Ja.«
    »Gut, aber das bringt dir gar nichts. Du wirst sterben, mein Freund. Gott spielt mit gezinkten Karten. Und Vergebung ist auch nicht seine Stärke. Jesus hat gelogen.«
    »Dann schicken Sie mich rüber, Reverend. Da hab ich wenigstens Gesellschaft.«
    »Die hast du.«
    Der Reverend hob den Revolver, schoss dem Bergarbeiter ins rechte Auge und beförderte ihn somit das letzte Stück in die Schatten hinein, wo Schlimmeres auf ihn wartete.
    Es dauerte ungefähr eine Stunde, bis der Reverend sein Pferd aufgespürt hatte. Es kaute eifrig auf Beeren herum, die es an einem Busch gefunden hatte. Der Reverend ergriff die Zügel und strich ihm über die Nüstern. Es hatte eine Wunde am Widerrist, wo ihn die Schaufel erwischt hatte. Keine üble Wunde, aber es war trotzdem besser, das Pferd zu schonen, also führte er es an den Zügeln. Bevor die Nacht hereinbrach, hielt er an einer Höhle in den Bergen an, die groß genug für ihn und sein Pferd war. Der Reverend sammelte trockenes Gestrüpp, das er vor der Höhle aufhäufte und mit dem er ein großes Feuer machte. Es knisterte und knackte, als würde jemand mit einer Peitsche hantieren. Er lud seinen 36er Navy nach, streifte dem Pferd Sattel und Zaumzeug ab, nahm eine Bürste aus der Satteltasche und striegelte das Pferd sorgfältig. Dann band er es in der Höhle mit einem Seil fest und setzte sich ans Feuer, wo er langsam etwas Dörrfleisch kaute und etwas Wasser aus seiner Feldflasche trank.
    Irgendwo in der Dunkelheit hörte er ein Geräusch, also lauschte er, um herauszufinden, woher es kam. Ein so großes Feuer hatte er nur ungern entfacht, denn womöglich gab es hier draußen noch mehr verzweifelte Bergarbeiter, aber die waren nicht seine größte Sorge. Ihn beunruhigte eher, was ihm der sterbende Straßenräuber über die Kobolde erzählt hatte. Kobolde scheuten, soweit er wusste, das Feuer. Also warf er noch mehr Gestrüpp in die Flammen und setzte sich dann wieder hin. Jenseits des Feuers konnte er Augen erkennen. Er zählte zwanzig Augenpaare. Sie sahen aus, als klebten sie in

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