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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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eigene Leben zu meistern. Der Acker taugt nur so viel wie der Mensch, der ihn bearbeitet , ertönte die Stimme Doktor Hedyns in ihrem Kopf, und sie sah sein ernstes Gesicht vor sich.
    »Dann verabschiede ich mich, Leutnant, und wünsche Ihnen auf jeden Fall alles Gute.«
    »Ihnen auch, Thay«, erwiderte Roxane freundlich.
    »Und keine Sorge: Die Übelkeit geht bald vorbei«, flüsterte der Kaplan verschwörerisch und zwinkerte Roxane zu, bevor er die Kammer verließ. Verblüfft blieb die junge Offizierin allein zurück. Während des Gesprächs hatte sie ihre Beschwerden fast vergessen, doch mit der Erwähnung kehrten sie unbarmherzig zurück. Diesmal blieb sie jedoch nicht in der Enge ihrer Kammer, sondern lief hastig an Deck, wo sie gemessenen Schrittes auf und ab ging, den Blick fest auf die Küstenlinien gerichtet, die sich an beiden Flanken des Schiffes im Grau abzeichneten. Sie würde später ausreichend Gelegenheit haben, die Habseligkeiten aus ihrer Truhe zu räumen.
    Im Osten lag der Kanal, und jenseits der Wasser lag das Festland, ein ganzer Kontinent voller Feinde, nur von der Macht der Königlich-Thaynrischen Marine in Schach gehalten. Morgen würde die Mantikor auslaufen, mit einem Roxane noch unbekannten Ziel, um die Feinde ihrer Heimat daran zu hindern, diese zu erobern und zu unterwerfen. Grübelnd zog die junge Offizierin ihre Bahnen auf Deck, die Hände auf dem Rücken, und versuchte sich wieder an den Aufenthalt an Bord eines Kriegsschiffes zu gewöhnen, an seine Enge, die eingespielten Abläufe, das Gefühl, nie allein, sondern stets Teil eines Ganzen zu sein. Hin und wieder sah sie Frewelling, doch der Leutnant war zu sehr damit beschäftigt, die Fregatte zum Auslaufen klarzumachen. Und der Rest der Mannschaft ignorierte sie fürs Erste; bis sie sich in die Gemeinschaft eingefügt hatte, würde man sie mit Distanz behandeln. Und selbst dann würde sie als Offizierin kein Teil der gemeinen Matrosen sein, sondern eine Autoritätsperson mit der Macht über Leben und Tod.
     
    Um fünf Uhr läutete der Wachhabende die erste Hundewache an. Da Roxane noch nicht in die Wachen integriert war, hatte sie den Tag relativ ungestört verbringen können. Während des Wachwechsels kam ein jugendliches Mädchen zu ihr gelaufen und salutierte atemlos: »Leutnant Frewelling schickt mich, Thay. Der Kapitän ruft zur Besprechung.«
    »Danke, Fähnrich …«
    »Levman, Thay, Tola Levman.«
    »Levman”, wiederholte Roxane und nickte kurz. Dann ging sie hinab unter Deck. Über ihr begann die erste Hundewache, so genannt, weil es eine der beiden kurzen Wachen war, die allein den Zweck hatten, das Wachsystem so anzugleichen, dass eine Wachmannschaft nicht jeden Tag zur gleichen Zeit Wache hatte. Die erste Hundewache war nur eine Stunde lang, daran schloss die zweite Hundewache mit zwei Stunden an, bevor das rotierende Wachsystem um acht Uhr abends mit der ersten Wache wieder begann. Schon bald würde die junge Offizierin einer Wache zugeteilt werden und als Wachhabende vom Dienst in dieser Zeit Verantwortung für das gesamte Schiff übernehmen. Eine Aussicht, die sowohl verführerisch als auch Angst einflößend war, wie Roxane nun überrascht feststellte. Bislang hatte sie es kaum erwarten können, ihren Dienst anzutreten und endlich als Leutnant zu fahren. Doch nun fragte sie sich plötzlich, ob sie den Anforderungen gewachsen war. Ein verdammtes Wunderkind , gingen ihr die Worte von Kapitän Harfell durch den Kopf. Stimmt das? Oder bin ich noch nicht reif für das Offizierspatent?
    Doch für derlei Selbstzweifel war es nun zu spät. Sie stand vor der Tür, die zur Kapitänskajüte führte. Der Seesoldat auf Wache in seiner scharlachroten Uniform blickte starr an ihr vorbei. Roxane nahm sich ein Beispiel an ihm. Das Reglement der Marine und die Kriegsartikel ließen keinen Platz für Zweifel, also hob sie die Hand und klopfte an.
    »Herein«, bellte es aus dem Inneren, und sie öffnete die Tür und trat ein. Obwohl das Linienschiff Königin Leofwyn ungleich größer als die Fregatte Mantikor war, hatte der Umstand, dass neben dem Kapitän und seinen Offizieren auch noch der Admiral samt Stab unterzubringen war, für kaum größere Kajüten und Kammern als hier an Bord gesorgt. Anders als in der Offiziersmesse, die ein Deck darunter lag, musste der Kapitän jedoch hinnehmen, dass zwei Achtzehnpfünder in seiner Kajüte standen, deren Pforten sich nach achtern öffneten. Zum Ausgleich gab es hier richtige Fenster und

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