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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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ihm deutlich, dass Dagüey die Wahrheit gesagt hatte, und seine Verzweiflung wuchs. Es gab kein Entkommen. Die Wachen waren aufmerksam, und es waren zu viele, um sie einfach zu überwältigen. Die Insel war nicht groß genug, um sich dauerhaft auf ihr zu verstecken, und es war kaum möglich, schnell genug ein Kanu zu bauen. Zudem gab es zwei kleinere Segelschiffe der Blassnasen im Hafen, die sicherlich jeden Fliehenden einholen konnten.
    Und schon bald hatte er keine Möglichkeit mehr gehabt, eine Flucht zu planen, denn er musste ohne Unterlass arbeiten, bis er nicht mehr denken konnte. Mit Schaufeln lockerten sie das wurzeldurchzogene Erdreich auf, damit dort neue Pflanzungen entstehen konnten, wo vorher die Bäume des Urwalds gestanden hatten. Majagua wusste, dass die Pflanzen schnell aus dem Erdreich sprießen würden. Auf den Inseln wuchs alles, worauf Anui sein Licht scheinen ließ, rasch und gut.
    Bei der Rückkehr stellte er fest, dass die Minensklaven bereits vor ihnen eingetroffen waren. Zwar stiegen von den Hügeln, wie schon den ganzen Tag, noch Rauchfahnen auf, doch die Sklaven waren bereits im Lager. Sofern dies überhaupt möglich war, sahen sie noch erschöpfter als die Feldsklaven aus. Heller Staub bedeckte ihre Leiber; Staub, in den der Schweiß dunkle Bahnen gegraben hatte. Viele husteten und keuchten, und der Staub gab ihren Gesichtern eine unheimliche Farbe, sodass sie wie bereits tot wirkten. Als er sich zu seiner Hütte schleppte, sah Majagua Dagüey, der unter einem Hustenanfall erbebte. Der alte Mann wischte sich blutigen Speichel von den Lippen, dann sah er den jungen Paranao und lächelte: »Ich kenne und ehre meinen Großvater.«
    Leise antwortete Majagua ebenso und ließ sich neben der Tür zu Boden fallen. Er streckte seine müden Beine aus und lockerte die verkrampften Muskeln. Im Schatten begann er sich besser zu fühlen, aber seine Lebensgeister kehrten nur langsam zurück.
    »Du hast Glück. Die Arbeit auf den Feldern ist besser als die in den Minen.«
    »Es ist heiß«, erwiderte Majagua matt und ohne aufzusehen. »Das ist es in den Minen auch. Aber dort gibt es keinen Schatten. Nur Schmutz und Hitze und graue Luft, bis du denkst, du müsstest ersticken.«
    »Es ist nicht richtig, dass wir hier sind.«
    Darauf antwortete Dagüey nicht, aber Majagua konnte an seinem Gesicht sehen, dass ihn der alte Mann bemitleidete. Wütend sprang er auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Es ist nicht richtig«, flüsterte er erneut und beugte sich vor. »Und wir werden nicht hierbleiben. Wir werden fliehen.«
    »Für solches Gerede wird man einfach aufgeknüpft.«
    Diesmal musste Majagua lachen, obwohl Dagüey ihn finster anblickte.
    »Als ob die Blassnasen unsere Sprache verstehen würden!«
    »Nein. Aber …«
    »Aber was?«
    »Es gibt Belohnungen, wenn jemand einen anderen Sklaven verrät. Weniger Arbeit, mehr Rationen«, erklärte Dagüey mit einem Blick zum Fort. »Vielleicht bekommt man sogar eine Arbeit dort oben, wo das Leben leichter ist.«
    »So etwas würde niemand tun!«, stellte Majagua im Brustton der Überzeugung fest. »Kein Paranao verrät einen anderen!«
    Der alte Mann schüttelte resigniert den Kopf.
    »Du musst noch viel lernen, Sohn des Cacique von Guanquen. Ich habe bereits oft genug gesehen, wie jemand verraten wurde, der nicht einmal etwas Verbotenes getan hatte, nur weil der Verräter auf eine Belohnung aus war. Achte auf deine Worte; lass sie nur die Zemi hören. Alles andere bringt dich an die Balken.«
    Noch stand die Sonne am Horizont und erhellte das Lager mit ihrer Wärme, doch Majagua fröstelte, denn seine Welt war unvermittelt noch finsterer geworden.
    »Vertraue niemandem. Denke dir, dass sie alle Anki sind«, zischte der Alte eindringlich, dann wandte er sich ab und ging mit gebeugtem Rücken davon. Noch bevor er hinter der nächsten Hütte verschwand, quälte er sich wieder durch einen rasselnden Hustenanfall.
    Langsam kehrte die Wärme zurück, und Majagua setzte sich wieder hin. Diesmal beobachtete er das Tor und die Festung. Nein, nicht alle sind böse Menschen. So werde ich nicht enden, schwor er sich im Stillen. Bei Anuis Licht, ich komme von dieser Insel herunter!
     
    Als die Sonne kaum mehr über das Meer lugte und die Schatten schon lang geworden waren, wurde das Essen ins Lager gebracht. Wieder war es die gleiche kleine Gruppe, die Kessel und Brot vor sich abstellte. Die Sklaven benötigten keine Einladung, der Hunger war ihnen genug

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