Sturmwelten 01
an ihrer Seite verhinderte, dass er eine derartige Frage stellte.
Erst als er mit schwerem Kopf und noch schwereren Beinen in sein Zimmer torkelte, wurde ihm bewusst, wie viel Wein sie getrunken hatten. Da Rahel mit ihren Begleitern die Taverne verließ, spürte Jaquento einen kurzen Stich des Bedauerns, denn er war sich sicher, dass er sie niemals wiedersehen würde. Vielleicht hätte er doch fragen sollen?
Dann stürzte er auf seine mit Stroh gefüllte Schlafstatt und kämpfte einige Momente gegen das Schlingern der Welt, bevor die Müdigkeit ihn übermannte. Draußen wurde der anbrechende Tag bereits von einer Vielzahl von Vogelstimmen begrüßt, während Jaquento in einen traumlosen Schlaf glitt.
ROXANE
Selbst in der geschützten Meerenge des Sanlet war das Meer vom Wind aufgewühlt. Solange die Brise aus dem Südwesten kam, wehte sie die schmale Wasserstraße entlang, die sonst von Insel und Land gemeinsam geschützt wurde.
Auf den grauen Wellen tanzten Schaumkronen, die vom Regen aufgelöst wurden, sich neu bildeten und so den Eindruck von endloser Unruhe verstärkten. Im Grau konnte man im Süden die Insel Dleigh erkennen, die ein dunkler Schemen in den Regenschwallen blieb. Roxane blickte nicht hinter sich, wo sie die Küste von Reidren wusste, der größten Insel des Staates Thaynric. Die beiden Ruderinnen saßen der jungen Frau gegenüber, blickten aber stur an ihr vorbei, während sie sich in die Riemen legten. Der Seegang warf das kleine Dingi immer wieder umher, was Roxanes Magen rebellieren ließ. Innerlich verfluchte sie ihre Konstitution, während sie die Zähne zusammenbiss und sich um ein ausdrucksloses Gesicht bemühte. Statt auf das Schwanken zu achten, fixierte sie das Schiff, das vor ihnen lag.
Die Mantikor war eine schon etwas in die Jahre gekommene Fregatte, die dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, über einen ausgezeichneten Ruf verfügte. Dem Aussehen nach war sie in bester Verfassung, frisch gestrichen mit dem typischen Weiß-Schwarz-Muster der einzelnen Decks. Rahgetakelt, aber selbstverständlich alle Segel gerefft. Nur das obere Deck war mit Kanonen bestückt; die sechsundzwanzig Achtzehnpfünder waren natürlich altmodisch im Vergleich zu den neueren Vierundzwanzigpfündern, die auf vielen der modernen, größeren Fregatten zum Einsatz kamen, aber die Mantikor hatte den Ruf, jedem besser bewaffneten Schiff einfach davonsegeln zu können.
Angestrengt versuchte Roxane, sich an die vielen Erfolgsmeldungen des Schiffes im »Thaynric Chronist«, der größten Zeitung des Landes, zu erinnern. Selbst eine dröge Abfolge von Prisen war besser als der Tumult in ihrem Leib, der sich ihr immer wieder unangenehm in Erinnerung brachte.
Endlich drehten die Ruderfrauen bei und hoben die Riemen. An Bord der Mantikor musste man die Offiziersuniform oder zumindest den Zweispitz bemerkt haben, denn Roxane hörte das geschäftige Schrillen der Pfeifen. Die Signale waren ihr vertraut – Offizier kommt an Bord .
Während sie die beiden Ruderfrauen bezahlte, waren ihre ärgerlichen Magenkrämpfe für einen Moment vergessen, doch als sie an der hastig herabgelassenen Strickleiter hing, die von den Bewegungen des Schiffs von links nach rechts und wieder zurück geworfen wurde, meldete sich ihre Seekrankheit mit voller Stärke zurück. Mühsam kämpfte sie sich Stück für Stück, Sprosse für Sprosse empor, bis sie erleichtert ihre Beine über die Deckskante schwang und versuchte, sich so würdevoll wie möglich aufzurichten.
Auch an Deck war das Schiff tadellos hergerichtet. Schon auf den ersten Blick erkannte Roxane, dass alles sorgfältig an seinem Platz war; kein Tau, kein Fass wich von der vorgeschriebenen Position ab. Es bedurfte eines großen Kapitäns, um auch in den Zeiten des Nichtstuns, während die Fregatte in sicheren Heimatgewässern lag, dieses hohe Niveau von Disziplin zu halten. Bevor sie sich jedoch genauer umsehen konnte, trat ein Mann auf sie zu, den sie trotz seiner wettergegerbten Haut auf Mitte zwanzig schätzte. Seine Uniform mit dem schwarzen Rock und der weißen Hose wies ihn als Offizier aus, ein Leutnant, wie ihr Blick auf den Zweispitz und die Goldlitzen, Knöpfe und Epauletten am Uniformrock bestätigte. Über die Uniform hatte er einen dunklen Mantel geworfen, der ebenso wie Roxanes gewalkter Mantel die Nässe und Kälte mehr schlecht als recht abhalten würde.
Sein breites Grinsen war ein wenig zu persönlich für Roxanes Geschmack, doch er grüßte sie mit
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