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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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forderte. Und bei einer der wenigen Gelegenheiten, wenn er sie zufällig berührte, fragte er sich, wie Gwen wohl sein würde, wäre sie nicht so entschlossen gewesen, sich anzupassen. Wenn sie nicht Richards Schwester gewesen wäre. Wenn sie keine achtbare Frau gewesen wäre.
    Er schätzte Raritäten. Es hätte ihm Spaß gemacht, die Schichten ihrer Heuchelei abzustreifen und herauszufinden, was sich hinter ihrem Lächeln verbarg. Er hätte sie dazu gebracht, ihre Stirn zu runzeln und sie ermutigt, all die verpönten, vulgären Gedanken zu flüstern, die sie mit so viel Kraft verdrängte. Er würde ihr sagen, dass sie bei ihm ganz ungezwungen sein könnte: Er gab nichts auf gute Manieren oder nutzlose Tugenden. Sie hatte etwas weitaus Interessanteres an sich, und in ihrer Selbstdisziplin lag ein großes Potenzial. Was versuchte sie nur, vor sich selbst zu leugnen?
Zeig es mir
, wollte er murmeln.
Lass uns sehen, was wir daraus machen können.
    Aber sie war entschlossen, angepasst zu bleiben. Und er hatte kein Interesse an einer dauerhaften Verbindung. Er hatte seine ganze Kindheit wie in Fesseln verbracht, eingeschränkt und gefangen; freiwillig würde er sich keinem Joch mehr unterwerfen.
    Was das betraf, so hatte er Richard die Wahrheit gesagt: Niemals hatte er Gwen ermutigt.
    Sie betraten einen kleinen Raum neben dem Säulengang, und hier nahm Gwen die Hand von seinem Arm. Alex kannte keine Regel für einen solchen Moment. Vielleicht gab es auch keine. Wortlos griff er in die Tasche und zog den Ring hervor.
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen, während sie auf den Ring starrte. »Ich …« Sie presste die Lippen aufeinander und griff danach. Der schlichte Goldreif funkelte in dem hellen Licht, das durch das Fenster hereinfiel, als er in ihre Hand glitt. »Ich dachte, er wäre gestohlen worden«, flüsterte sie.
    »Die italienische Polizei hat ihn wiedergefunden.« Richards Mörder war gestern früh gehängt und somit seiner gerechten Strafe zugeführt worden; über diese Neuigkeit würde Alex zuerst mit den Zwillingen sprechen, ehe er entschied, wie er sie Gwen mitteilte. »Ich habe ihn heute Morgen bekommen.«
    Ihre Hand schloss sich zur Faust. So eine kleine Faust. Sie senkte den Kopf. »Oh«, sagte sie, und eine Träne tropfte von ihrer Wange auf den Boden.
    Dieses Bild stach Alex wie ein Messer in die Brust und legte eine Art Qual frei, pur und unverfälscht von Bedauern oder Zweifel. Sie traf ihn so heftig, dass er sich mit der Hand an der Steinmauer abstützen musste, um das Gleichgewicht zu wahren.
Idiot
, dachte er. Das stumme Wort wurde von einer Überraschung gefärbt, einem Hauch von Wunder. Menschen konnten also tatsächlich bis in ihre Grundfesten erschüttert werden und ins Wanken geraten: Es war nicht einfach nur eine Redensart.
    Aus alter Gewohnheit holte er vorsichtig Luft. Seine Lungen reagierten, wie sie es sollten.
    Eine weitere Träne fiel zu Boden. Warum zum Teufel nahmen seine Schwestern sie jetzt nicht in die Arme? Bel und Caro hielten den Blick abgewandt, ohne Zweifel aus dem fehlgeleiteten Empfinden heraus, dass Gwen in ihrem Kummer ihre Privatsphäre brauchte. Dabei wusste sogar Alex, dass diese Herangehensweise die falsche war.
    Er räusperte sich. »Vergib mir, Gwen. Ich habe einen schlechten Zeitpunkt gewählt.«
    Vehement schüttelte sie den Kopf und presste die Faust, den Ring darin fest eingeschlossen, auf ihr Herz. »Nein«, sagte sie rau. »Es ist – es ist das
Kostbarste
überhaupt … für mich, Alex. Er gehörte meinem Vater. Und Richard hat ihn getragen, als er …«
    »Er hat ihn immer getragen«, beendete er den Satz, als klar war, dass sie ihn nicht zu Ende sprechen würde.
    Sie nickte. Dann warf sie sich mit einem unterdrückten Schluchzen in Carolines Arme.
    Gut so. Alex nickte seinen Schwestern zu und verließ den Raum. Einige Trauergäste reckten den Hals, um einen Blick in das Zimmer zu erhaschen. Ein Lächeln zeigte sich um Alex’ Mund. Es musste … unfreundlich gewirkt haben, denn die meisten Gaffer wandten sich hastig ab.
    All die Aufmerksamkeit, die ihm gegolten hatte, war nichts – verglichen mit dieser begierigen Neugier, die sich auf Gwen richtete. Erstaunlich. Mit seinen Reedereien hatte er ein Vermögen erwirtschaftet, doch gleichzeitig hatte er sich auch einen Ruf eingehandelt, der Menschen abschreckte. Gwen hingegen war ein unbeschriebenes Blatt: hübsch, elegant, reich, aufgestiegen aus dem Nichts. Und jetzt, da der Tod ihres Bruders sie ohne

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