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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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nicht das erste Mal gewesen, dass sie an Gwens Stelle unmöglich einzuhaltende Versprechungen gemacht hatte. In der letzten Saison, kurz nach Thomas’ Antrittsbesuch, waren es dreißig bestickte Taschentücher für Lady Miltons Wohltätigkeitsbasar gewesen, und das drei Wochen bevor dieser überhaupt stattfand. Es schien klar zu sein, dass diese Pullover Lady Annes letzter Versuch waren, Gwens Gesuch um einen Sitz im Wohltätigkeitskomitee zu hintertreiben.
    Nichtsdestotrotz hatte ihr Gwen mit einem Lächeln gedankt und eine Wollbestellung aufgegeben. Verrücktheit war bei Menschen, die an gebrochenem Herzen litten, leicht zu verzeihen. (Nachdem Lord Trent ihres verschmäht hatte, hatte sie vorübergehend ein Interesse daran gezeigt,
Latein
zu erlernen!) Dennoch, wenn die Zeitungen schrieben, Gwen sei aufgrund ihres »angeborenen frohen Naturells jedermanns Busenfreundin«, dann entging ihnen wohl, wie viel Arbeit ihre Situation tatsächlich erfordert hatte – ganz zu schweigen von dem Preis, den ihre Handgelenke dafür zu zahlen gehabt hatten.
    Vielleicht werde ich das Stricken nach der Hochzeit aufgeben, dachte Gwen.
    Und das Sticken auch, wenn sie schon mal dabei war.
    Was für ein wunderbarer Gedanke. Ob sie sich das auch traute?
    Ein Klopfen an der Tür ertönte. Die Brautjungfern wichen zurück. Tante Elma trat ein und lächelte. Als Onkel Henry hinter ihr auftauchte, wurde Gwens Mund trocken. »Ist es so weit?«, wisperte sie.
    »Ja, es ist so weit«, sagte Elma herzlich. »Ich bin gekommen, um deine Brautjungfern zu holen, Liebes.«
    Die vier jungen Damen wandten sich Gwen zu, klatschten in die Hände und riefen aufmunternde Worte, warfen ihr Luftküsse zu und liefen aus dem Zimmer.
    Und dann schloss sich die Tür hinter ihnen, und nur sie und Onkel Henry blieben zurück.
    Stille breitete sich in dem Raum aus. Ohne das Geplapper ihrer Freundinnen schienen die Geräusche, die durch die Tür hereindrangen, plötzlich viel lauter zu sein als das Brüllen der Zuschauer in einem Zirkus. Sicherlich waren dreihundert Leute doch gar nicht
so
viel?
    Immerhin, das waren sechshundert Augen.
    »Also dann«, sagte sie fröhlich.
    Henry Beecham war kein Mann von vielen Worten. Er räusperte sich, nickte ihr zu, strich sich mit der Hand über seinen silbergrauen Oberlippenbart und fuhr dann damit fort, seine Schuhspitzen einer genauen Prüfung zu unterziehen.
    Gwen lächelte, als sie sich an das erste Mal erinnerte, da sie auf seiner Türschwelle aufgetaucht war und er sie auf genau dieselbe Art begrüßt hatte, mit einem Streichen über seinen Bart. Elma, seine Frau, hatte ihn aufgefordert, etwas zu sagen, damit Gwen ihn nicht für stumm halten musste. »Nun denn«, hatte er daraufhin gesagt – und das war das Letzte gewesen, was Gwen für ein oder zwei Tage von ihm gehört hatte.
    Als Dreizehnjährige hatte sie sein Schweigen als verwirrend empfunden. Mehr noch, geradezu als furchterregend. Heute aber, zehn Jahre später, fragte sie sich nicht mehr als Erstes, was sie tun musste, wenn er in Schweigen verfiel.
    Sie war froh, dass er es war, der sie zum Altar führen würde. Ihr Bruder hatte die Beechams dafür bezahlt, sie bei sich aufwachsen zu lassen und zu erziehen, aber deren Zuneigung hatte schon vor langer Zeit begonnen, aufrichtig zu sein. Seit Richards Tod waren die Beechams Gwens einzige Familie.
    Aber in einer halben Stunde wird das anders sein. Um zwölf werde ich eine
richtige
Familie haben.
    Doch auch die wäre gekauft.
    Dieser Gedanke war dunkel und gemein und taumelte wie ein dicker schwarzer Käfer durch Gwens Bewusstsein. Sie schüttelte den Kopf, um ihn zu vertreiben – wenn auch sehr verhalten, um den Faltenwurf des Schleiers nicht in Unordnung zu bringen. Diese Heirat war kein Arrangement der Art, wie ihr Bruder es mit den Beechams getroffen hatte. Der Viscount
liebte
sie. Und wenn sie seinen gesellschaftlichen Rang bewunderte, so war das erklärlich. Sein Familienstammbaum war alt und bedeutend, während ihrer … nun, ihrer ähnelte eher einem zu niedrig geratenen Busch. Dass dieser Busch nun zufällig mit Gold überzogen war – oder mit den Färbemitteln, die ihr Vater erfunden hatte –, das machte wirklich keinen Unterschied. Dass es sie für Thomas attraktiver erscheinen ließ, als es ohne diese Draufgabe vielleicht der Fall gewesen wäre, wusste sie. Aber dennoch – sie bezahlte ihn nicht dafür, ihr Ehemann zu sein. Und was seine Motive betraf … nun, ihr Vermögen hatte Lord

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