Sünden der Nacht
zukünftige Razzia zu gefährden, indem sie die Regeln verletzte.
Sie ging an der Südseite des Fundaments in die Knie und preßte ihre Nase an ein Kellerfenster kalt wie ein Eisblock, versuchte etwas im dämmrigen Inneren mit Hilfe ihrer
Taschenlampe zu erkennen.
Nichts von Interesse. Keine Spur von Josh.
Die freigeschaufelten Wege zur Garage und zum Schuppen wurden langsam, aber sicher wieder zugeschneit. Megan watete fluchend hindurch. Die Seitentür der Garage war nicht
abgesperrt und führte sie in einen widerlich geleckten Raum.
Wie Fletchers Garage, dachte sie. Und er war, weiß Gott, ein plausiblerer Verdächtiger als der Professor. Wahrscheinlich haschte sie nur nach Strohhalmen, weil sie so davon besessen war, etwas in Gang zu bringen. Die Notiz, die Fletcher an die Leiche seiner Frau geheftet hatte, ging ihr durch den Kopf –
Sündige Tochter Evas, Du kannst dessen versichert sein, daß deine Sünde dich einholen wird. Sünde war ein Thema der Entführerbriefe. Durch seine Fixierung auf Religion war Fletcher automatisch ständig mit Sünde beschäftigt. Eine Frage ließ ihr keine Ruhe: das plötzliche Abrutschen des Diakons in den Irrsinn. Wenn er bereits so nahe am Überschnappen
gewesen war, wie konnte er dann ein Spiel inszeniert haben, auf 640
das jeder Schachgroßmeister neidisch gewesen wäre? Von der ersten Sekunde an waren sie manipuliert worden, hierhin und dorthin geschickt. Er hatte Indizien gestreut, um sie zu verwirren. Könnte Fletcher all das bewerkstelligt haben und dann wegen einer so trivialen Sache ausflippen wie bei Pater Tom, der seinen Arm um Hannah legte? Megan verließ die Garage und schloß die Tür hinter sich. Der Schuppen war ein älteres Gebäude, vielleicht fünf Meter breit und zehn Meter lang. Früher diente er wahrscheinlich zur Unterbringung von landwirtschaftlichen Geräten. Jetzt beherbergte er ein Geheimnis, das Megan an der hinteren Tür zögern ließ. Unter ihrem siebten Cop-Sinn sträubten sich ihre Nackenhaare. Es war niemand da, Reifenspuren hätte sie auf der Straße oder in der Einfahrt gesehen.
Außer sie waren zu Fuß gekommen.
Neben der Tür zog sie ihren rechten Fäustling aus und öffnete den Reißverschluß ihres Parkas. Die Glock glitt aus dem Schulterhalfter und füllte ihre Hand mit dem vertrauten Gewicht und Umriß. Sicherheit. Schutz. Sie entsicherte sie. Albert Fletcher mußte sich irgendwo verstecken. Christopher Priests Schuppen war dazu genausogut geeignet wie jedes andere Gebäude.
Heftig klopfenden Herzens bewegte sie sich an der Längsseite des Schuppens entlang. Ihre linke Hand strich über die großen Eingangstüren. Mit der rechten hielt sie die Pistole, den Lauf gen Himmel gerichtet. Trotz der Kälte bildete sich unter den Kleiderschichten ein Schweißfilm auf ihrer Haut.
Am hinteren Ende des Gebäudes entdeckte sie die Spuren.
Fußspuren im Schnee, die aus den Wäldern des Quarry Hills Park kamen und durch Christopher Priests Hinterhof zur Tür am Ende des Schuppens führten. Ihr Puls beschleunigte sich. Sie baute sich neben der Tür auf und klopfte mit der linken Hand.
»Polizei! Kommen Sie mit erhobenen Händen raus!«
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Keine Antwort. Die einzigen Geräusche waren der Wind, der durch die Baumwipfel pfiff und das Ächzen alten Holzes. Ihr Puls dröhnte in ihren Ohren, hämmerte hinter ihrer Stirn. Sie blinzelte, um ihr Blickfeld zu klären, das an den Rändern zu verschwimmen drohte. Sie stieß die Tür auf, hielt sich aber seitlich davon.
»Polizei! Kommen Sie mit erhobenen Händen raus!«
Schweigen.
Megan ließ den Blick durch den Hof schweifen. Elektrische Drähte verliefen von einem Mast ins Haus und zur Garage, keine zum Schuppen, der also keine Innenbeleuchtung besaß.
Nur ein Narr würde alleine ein dunkles Gebäude betreten, in dem er einen Verdächtigen witterte. Die Dunkelheit minderte den Vorteil, den ihr die Pistole verschaffte. Am besten zöge sie sich zurück zum Auto und funkte um Verstärkung, setzte sich dann rein und wartete ab. Wenn das Fletchers war in diesem Schuppen und er beschloß zu fliehen, würde er zu Fuß nicht weit kommen. War er es nicht, hatten sie einen Eindringling am Hals, und den würde sie lieber einem hiesigen Beamten
überlassen.
Sie bewegte ihre klammen Finger, die den Griff der Glock umfaßten, holte tief Luft und ging rasch an der offenen Tür vorbei, bog um die Ecke des Schuppens. Zehn Meter, dann wäre sie außer Reichweite. Fünf schaffte sie.
Er nahm sie von der
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