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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Mitch. Der Typ wusste nichts von Manieren, hatte nie viel zu sagen und machte nie freiwillig den Mund auf. Ein seltsamer Vogel, aber dagegen gab’s kein Gesetz. Er hatte scheinbar nur ein Ziel im Leben: seinen Job zu behalten und mit seinen Büchern alleingelassen zu werden.
    Von seinem Platz an der Tür aus konnte Mitch Olie und den ganzen Raum überblicken, ohne die Augen zu bewegen. Ein alter grüner Kartentisch mit zerrissener Bespannung und ein farbverschmierter Stuhl nahmen fast den ganzen Platz ein. Auf und unter dem Tisch stapelten sich ausrangierte Fachbücher.
    Computerhandbücher, Psychologie, englische Literatur – die gesamte Palette.
    »Joshs Mutter war zu spät dran, als sie ihn abholen wollte«, fuhr Mitch fort. »Als sie kam, war er schon weg. Haben Sie gesehen, ob er mit jemandem mitgefahren ist?«
    »Nein.« Olie senkte den Kopf. »Ich war beschäftigt, musste vor dem Seniorenclub den Zamboni laufen lassen.« Er sprach in einer Art linguistischem Steno, nur das Unumgänglichste, gerade genug, um sich verständlich zu machen, nicht genug, um eine Unterhaltung anzuregen. Er steckte die Hände in seine Jackentaschen, wartete und schwitzte.
    »Haben Sie zwischen siebzehn Uhr fünfzehn und siebzehn Uhr 79
    dreißig einen Anruf aus dem Krankenhaus erhalten, der besagte, dass Dr. Garrison sich verspäten würde?« fragte Megan.
    »Nein.«
    »Wissen Sie, ob ihn sonst jemand entgegengenommen hat?«
    »Nein.«
    Megan nickte und öffnete den Reißverschluss ihres Parkas.
    Der kleine Raum lag direkt neben dem Heizungskeller und saugte offensichtlich die Hitze durch die Wände ein. Es war wie in der Sauna. Mitch hatte ebenfalls seinen Parka geöffnet und ihn ein Stück nach hinten geschoben. Olie behielt seine Hände in der Tasche. Er rollte einen Fuß im abgetragenen Nike-Laufschuh zur Seite und wippte mit dem Bein.
    »Haben Sie gesehen, dass Josh zurück ins Gebäude gekommen ist, nachdem die anderen Jungs weg waren?«
    »Nein.«
    »Sie sind nicht zufällig nach draußen gegangen und haben irgendwelche fremden Autos gesehen?«
    »Nein.«
    Mitch presste die Lippen zusammen und seufzte durch die Nase.
    »Tut mir leid«, sagte Olie leise. »Würde gern helfen. Netter Junge. Sie glauben doch nicht, dass ihm was passiert ist?«
    »Wie zum Beispiel?« Megans Blick bohrte sich in Olies
    ungleiche Augen.
    Er zuckte wieder mit den Achseln. »Die Welt ist schlecht.«
    »Wahrscheinlich ist er mit einem Kumpel nach Hause
    gegangen.«
    Die Worte klangen fadenscheinig, er hatte sie in den letzten zwei Stunden so oft gesagt. Der Piepser hing wie ein
    Bleigewicht an seinem Gürtel, stumm. Insgeheim hoffte er, er würde gleich piepsen, und wenn er dann anrief, würde er hören, 80
    Josh wäre gefunden, würde irgendwo bei einer Familie Pizza essen und das Spiel der Timberwolves im Fernsehen anschauen.
    Das Warten nagte wie eine Horde Termiten an seinen Nerven.
    Megan dagegen genoss das Ganze offensichtlich, dachte er sich. Der Gedanke irritierte ihn.
    »Mr. Swain, sind Sie den ganzen Abend hier gewesen?«
    »Das ist mein Job.«
    »Kann das jemand bestätigen?«
    Ein Schweißtropfen rollte über Olies Stirn in sein gesundes Auge. Er blinzelte wie ein Reh, das in das Fadenkreuz des Jägers geraten ist.
    »Warum? Ich hab doch nichts getan?«
    Sie bot ihm ein Lächeln an. Er kaufte es ihr nicht ab, aber das spielte keine Rolle. »Reine Routine, Mr. Swain. Haben Sie …«
    Mitch packte eine Gürtelschlaufe ihres Parkas und zog kurz daran. Ihr Kopf schnellte herum, und sie sah ihn wütend an.
    »Danke, Olie«, nickte er, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
    »Sollte Ihnen noch etwas einfallen, was uns helfen könnte, rufen Sie uns bitte an?«
    »Klar. Ich hoffe, es geht alles gut«, sagte Olie.
    Das beklemmende Gefühl, das ihm die Kehle zugeschnürt
    hatte, legte sich, als Holt und die Frau aufbrachen. Ihre Schritte verhallten langsam, und Olies Gefühl von Abgeschiedenheit kehrte allmählich zurück. Er bewegte sich durch das Zimmer, ließ die Fingerspitzen über die Wände gleiten, markierte seine Welt, radierte das Eindringen von Fremden aus. Er setzte sich in den Stuhl und streichelte seine Bücher wie geliebte Haustiere.
    Er hasste Polizisten, hasste Fragen. Er wollte nur in Ruhe gelassen werden. Kümmer dich um deinen eigenen Kram, Leslie.
    Wenn doch nur die anderen Leute diesen Rat auch befolgen würden.

    81
    »Diese Angelhakennummer fand ich gar nicht lustig«, sagte Megan wütend. Sie musste fast rennen, um mit Mitch

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