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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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nicht, sondern begnügte sich mit dem, was sie bedeuteten – Leben. Er war am Leben. Er war bei ihr. Das Stück ihres Herzens, das gefehlt hatte, war zurückgekehrt und schlug im Einklang mit seinem.
     
    »Hat er irgendwas über Wright gesagt?« fragte Mitch leise. Er saß in einem Ohrensessel, die Unterarme auf die Knie gestützt, mit offenem Parka. Nach Hannahs Anruf war er buchstäblich aus dem Bett gerollt und in ein Paar Jeans und ein Sweatshirt gesprungen. Seine Haare standen kreuz und quer. Er wünschte, Megan wäre hier, um ihn bei der Aufklärung dieses Falles zu unterstützen, für dessen Lösung sie so hart gekämpft hatte.
    »Nein.« Hannah saß auf dem Boden vor der Couch, wo Josh unter der
roten Häkeldecke schlief. Sie berührte ihn immer wieder, streichelte sein Haar, rieb seinen Rücken, tätschelte seine Hand, als würde eine Unterbrechung des körperlichen Kontakts den Bann brechen und er wieder verschwinden. »Gar nichts hat er gesagt. Ich hab ihn gefragt, ob er wüßte, wer ihn nach Hause gebracht hätte. Er schüttelte den Kopf.«
    »Das ist der Schock. Er braucht sicher einige Zeit …«
    Mitch ließ den Gedanken ausklingen, wollte ihn nicht weiterverfolgen. Die meisten Wege, die er einschlagen könnte, führten zu mehr Unglück, und das wollte er Hannah im Augenblick ersparen. Trotzdem rief die Pflicht. Regeln mußten eingehalten werden, Fragen gestellt. Selbst jetzt, mitten in der Nacht, hatte er Männer losgeschickt, die die Straße entlang an allen Türen klopften und nach jemandem suchten, der vielleicht zufällig aus dem Fenster gesehen und irgend etwas Ungewöhnliches bemerkt hatte.
    »Wir müssen ihn noch heute nacht ins Krankenhaus bringen …«
    »Ich weiß.«
    »Und ich werde versuchen, ihm ein paar Antworten zu entlocken. Wenn er uns etwas über Wright sagen kann …«
    Hannahs Finger erstarrten auf Joshs Hand, sie sah zu Mitch hoch.
    »Was heißt das wohl? Garrett Wright ist im Gefängnis, und jetzt kommt Josh nach Hause. Was hat das für die Anklage gegen ihn zu bedeuten?«
    »Ich weiß es nicht. Sehr viel hängt von Josh ab, davon, was er uns erzählen kann. Aber selbst wenn er uns nichts Brauchbares mitteilt, haben wir immer noch die Identifizierung bei der Gegenüberstellung; wir werden außerdem die DNS und die Beweise der Spurensicherung von dem Laken haben. Wenn Wright glaubt, daß er jetzt aus dem Schneider ist, wird er sich wundern. Wir haben ihn erwischt, Hannah«, sagte er mit stetem Blick und ruhiger Überzeugung. »Wir haben Garrett Wright kalt erwischt, er ist schuldig wie die Sünde, und wir werden weitersuchen nach seinem Komplizen. Dann nageln wir den auch noch fest.«
    Er erhob sich aus seinem Stuhl und reichte Hannah die Hand, um ihr aufzuhelfen. »Das ist ein Versprechen. Garrett Wrights nächstes Spiel findet in einem Gerichtssaal statt. Ich prophezeie, daß Justitia ihm das Handwerk legen wird.«
    »Hoffentlich.«
    Mitch drückte bekräftigend ihre Hand. »Ich weiß es. Aber ich möchte
nicht, daß du dir deswegen Sorgen machst. Das einzige, woran du heute abend denken sollst, ist dein kleiner Junge. Alles andere wird sich ergeben.«
    »Du hast vollkommen recht«, stimmte sie ihm zu mit einem Blick auf ihr schlafendes Kind.
    Er hätte für immer verloren sein können, untergegangen in einer Schattenwelt, wie so viele Kinder Jahr für Jahr von ihren Familien getrennt wurden, und nichts als zerbrochene Herzen bei den Menschen, die sie liebten, zurückließen. Aus Gründen, die nur dem finsteren Verstand seines Entführers bekannt waren, war Josh aus den Schatten wieder heimgeschickt worden. Das zählte, sonst nichts. Wahrheit, Gerechtigkeit, Rache, all das kümmerte Hannah gegenwärtig wenig. Ihre Welt war zerschmettert, ihr Leben unwiderruflich verändert, aber Josh gehörte ihr aufs neue. Mehr brauchte sie nicht.
    Ihr Sohn war zu Hause, und ihr Leben konnte neu beginnen.

EPILOG
    AGEBUCHEINTRAG
TAG 14
    Sie glauben, sie haben uns in unserem eigenen Spiel geschlagen.
Arme, schlichte Gemüter.
Jeder Schachmeister weiß, daß er bei dem Streben
nach dem Sieg geringere Niederlagen zugestehen muß.
Sie mögen vielleicht diese Runde gewonnen haben,
aber das Spiel ist noch lange nicht zu Ende.
Sie glauben, sie haben uns geschlagen.
Wir lächeln und sagen:
Willkommen zur nächsten Partie.



 
     
    1. Auflage
    Taschenbuchausgabe Januar 2006 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.
    Copyright © der Originalausgabe 1995

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