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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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Kapitel 1

TAG 1, 12. JANUAR 1994 17 Uhr 26, – 5,5 Grad
    Josh Kirkwood und seine beiden besten Kumpel stürmten aus dem Umkleideraum, segelten hinaus in den kalten dunklen Spätnachmittag, brüllten so laut sie konnten. Ihr Atem bauschte sich in rollenden Dampfwolken aus ihren Mündern. Sie stürzten die Treppen hinunter wie Bergziegen, die von Felsvorsprung zu Felsvorsprung springen, und landeten bis zu den Hüften im Schnee des Abhangs. Hockeyschläger schlitterten hinunter, gefolgt von den Taschen mit der Ausrüstung. Dann kamen die Drei Amigos, quietschend und kichernd, kugelten wie Bälle in ihren grellbunten Skijacken und Pudelmützen nach unten.
    Die Drei Amigos. So nannte sie Brians Dad. Brians Familie war von Denver, Colorado nach Deer Lake, Minnesota gezogen, und sein Dad war immer noch ein großer Anhänger der Broncos. Er sagte, die Broncos hätten mal ein paar Fänger gehabt, die die Drei Amigos hießen, und die wären wirklich gut gewesen. Josh war Vikings Fan. Wenn es nach ihm ging, waren alle anderen Teams nur Versager, außer vielleicht den Raiders, die hatten nämlich coole Uniformen. Die Broncos mochte er nicht, aber der Spitzname gefiel ihm – die Drei Amigos.
    »Wir sind die Drei Amigos!« schrie Matt, als sie unten am Fuß des Hügels zusammenprallten. Er warf den Kopf zurück und heulte wie ein Wolf. Brian und Josh stimmten ein, und der Lärm war so durchdringend, daß ihnen die Ohren klingelten.
    Brian bekam einen Kicheranfall. Matt warf sich auf den Rücken und machte Adlerflügel in den Schnee, wedelte so heftig mit den Armen, daß es aussah, als wolle er den Hügel hinunterschwimmen. Josh richtete sich auf und schüttelte sich wie ein Hund, als Coach Olsen aus der Eishalle trat.

    Olsen war alt – mindestens fünfundvierzig -, ein bißchen fett und fast glatzköpfig, aber er war ein guter Coach. Er brüllte viel, aber lachte auch oft. Am Anfang der Hockeysaison sagte er ihnen, für den Fall, daß er zu sauer würde, sollten sie ihn dran erinnern, daß sie erst acht Jahre alt wären. Das Team hatte Josh für diese Aufgabe ausgewählt. Er war einer der Co-Captains, eine Verantwortung, die ihn sehr stolz machte, auch wenn er das nie zugeben wollte. Angeber mag keiner, sagte Mom immer. Wenn du deine Arbeit gut machst, gibt’s keinen Grund anzugeben. Gute Arbeit spricht für sich.
    Coach Olsen machte sich auf den Weg die Treppe runter und zog sich die Klappen seiner Jägermütze über die Ohren. Seine Nasenspitze war rot vor Kälte. Sein Atem stieg wie Rauch um seinen Kopf auf und hüllte ihn ein. »Werdet ihr heute abend abgeholt, Jungs?«
    Alle antworteten gleichzeitig, alle sehr laut und sehr albern, weil sie die Aufmerksamkeit des Coach für sich haben wollten. Er lachte und ergab sich mit erhobenen Händen. »Schon gut, schon gut! Die Halle ist offen, wenn es euch beim Warten zu kalt wird. Olie hilft euch beim Telefonieren, falls nötig.«
    Dann sprang der Coach in das Auto seiner Freundin, wie jeden Mittwoch, und sie fuhren zum Abendessen in Grandma’s Attic in der Stadt. Mittwochs gab es dort im Grandma’s berühmten Hackbraten. Soviel-du-essen-kannst stand auf der Speisekarte. Coach Olsen konnte sicher viel essen, stellte Josh sich vor.
    Autos rumpelten die kreisförmige Auffahrt der Gordie Knutson Memorial Arena hoch, eine Parade von Minivans und Kombis, mit knallenden Türen und hustenden Auspuffen. Die Jungs der verschiedenen Zwergen-Liga-Teams schleuderten ihre Stöcke und Ausrüstung in Kofferräume und Heckklappen, kletterten zu ihren Moms oder Dads in die Autos und plapperten wie die Wasserfälle über Spiele und Spielzüge, die sie im Training geübt hatten.
    Matts Mom fuhr in ihrem neuen Transport vor, ein keilförmiges Ding, von dem Josh fand, daß es aussah wie etwas aus Raumschiff Enterprise. Matt raffte seine Ausrüstung zusammen, rannte quer über den Gehsteig und rief ihm Tschüs zu. Seine Mutter, die eine grellrote Pudelmütze trug, ließ das Beifahrerfenster runter.
    »Josh, Brian – werdet ihr abgeholt?«
    »Meine Mom kommt«, erwiderte Josh, und mit einem Mal konnte er es gar nicht erwarten, sie zu sehen. Sie würde ihn auf dem Heimweg vom Krankenhaus abholen, und sie würden am Schiefen Turm von
Pizza halten, um Abendessen zu holen, und sie war ganz wild darauf, alles über sein Training zu hören. Wirklich ganz wild darauf. Nicht so wie Dad. In letzter Zeit tat Dad immer nur so, als würde er zuhören. Manchmal herrschte er Josh sogar an, den Mund zu halten.

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