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Suess und ehrenvoll

Suess und ehrenvoll

Titel: Suess und ehrenvoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Avi Primor
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»Frühgeburten können auch durch Kummer und Sorgen ausgelöst werden. Und wer hat in diesen schweren Zeiten keine Sorgen?« Zu Friede gewandt, fügte er hinzu: »Sie müssen mir helfen, ich bin keine Hebamme, und die Krankenschwester ist noch nicht da. Sie müssen nur meinen Anweisungen folgen.«
    Der Grund für die Frühgeburt sollte sich bald herausstellen. Karoline brachte Zwillinge auf die Welt! Einen Jungen und ein Mädchen. Die Siebenmonatskinder kamen zum Glück gesund auf die Welt, waren jedoch noch sehr schwach. Der Doktor wandelte kurzerhand seine Praxis in eine Wöchnerinnenstation um. Als Erstes musste er seine Fantasie und seine ganze Überredungskunst aufbieten, um einen Inkubator zu organisieren. »Wer hätte das geglaubt«, murmelte er kopfschüttelnd, »in meinem Alter müssen mir solche Sachen passieren! Wenn dieser verfluchte Krieg nicht wäre, hätte ich mich schon längst pensionieren lassen. Und jetzt muss ich auch noch den Geburtshelfer spielen, und das ohne Entbindungsraum!« Als er sicher war, dass die Frauen ihn nicht hören konnten, murmelte er in seinen Bart: »Und all das, um zwei Juden zur Welt zu bringen!«
    In ihrer körperlichen und seelischen Erschöpfung war Friede einem Zusammenbruch nahe. Ab und zu erlaubte ihr der Arzt, die Praxis zu verlassen und Einkäufe zu erledigen. In der Teeküche der Arztpraxis kochte sie für alle, und geschlafen wurde auf Sofas und Sesseln. Nach drei Tagen kam der Arzt zu dem Schluss, dass die Frühchen die erste Krise überstanden hatten, und erlaubte ihr, für kurze Zeit nach Hause zu gehen.
    Friede kam nach einigen Stunden wieder und schwenkte freudig einen Brief in der Hand. Doch zu Karolines bitterer Enttäuschung kam er nicht von Ludwig. »Hör zu, Karoline«, rief Friede, »ein Brief von der Armee! Darin steht, dass mein Bruder Willi verwundet ist. Er liegt in einem Krankenhaus hinter der Frontlinie, es besteht keine Lebensgefahr. Vielleicht kommt er bald zurück nach Berlin.«
    »Wie kannst du dich darüber freuen, dass Willi verwundet ist?«, fragte Karoline erstaunt.
    »Weil das heißt, dass er lebt«, rief Friede, »und dass er nicht sterben wird, weil er nicht mehr an die Front muss, denn es wird bald keine Front mehr geben! Ich habe die ganze Zeit befürchtet, dass auch mein dritter Bruder nicht mehr nach Hause zurückkehrt. Ach, was für eine Erleichterung! Willi wird der Trost unserer armen Eltern sein. In ihrer Verzweiflung glauben sie, alle ihre Söhne verloren zu haben. Sie murmeln immer nur vor sich hin, dass alle drei gefallen sind!«
    Am vierten Tag nach der Geburt ging Friede mehrere Stunden nach Hause, um ihre Eltern zu ermutigen und ein Zimmer für die Wöchnerin und die Frühgeborenen herzurichten. Gegen Abend kam sie zurück. Karoline hatte gerade die Zwillinge gestillt und lag erschöpft auf dem Sofa.
    Schon an der Tür rief Friede: »Karoline, ich habe dir eine Überraschung mitgebracht!«
    »Ist noch jemand verwundet worden?«, fragte Karoline trocken. Als Friede nicht antwortete, sondern an der Tür stehen blieb, wandte Karoline den Kopf. Vor Überraschung blieb ihr derMund offen stehen. »Frau Kronheim! Was machen Sie hier? Wie sind Sie hierhergekommen?«
    Ludwigs Mutter sah aufgeregt und ein wenig verwirrt aus. Sie ging auf Karoline zu, umarmte und küsste sie, beglückwünschte sie und ließ sich die Zwillinge zeigen. Sie brach in Tränen aus. Noch immer schluchzend, setzte sie sich auf einen Stuhl neben Karoline. Friede ergriff an ihrer Stelle das Wort.
    »Stell dir vor, Karoline«, sagte sie, »ich bin heute Morgen stundenlang herumgelaufen, um Lebensmittel aufzutreiben, doch kaum war ich zu Hause, klingelte das Telefon. Und wer war am Apparat? Frau Kronheim! Hier in Berlin! Sie war gerade angekommen. Die Ärmste hatte schon ein paarmal vergeblich bei uns angerufen. Sie stand am Bahnhof und wusste nicht, was sie tun sollte. Und das nach der langen Fahrt!«
    »Das war wie eine Erlösung, als ich Ihre Stimme gehört habe«, fiel ihr Ludwigs Mutter ins Wort. »Vor der Telefonzelle stand eine endlose Schlange, und ich musste mich immer wieder aufs Neue anstellen.« Sie hatte sich inzwischen gefasst. »Mein Mann war bis zum letzten Augenblick gegen die Reise.«
    Sie räusperte sich, und plötzlich fing sie wieder an zu weinen. »Karoline«, sagte sie. »Sie müssen jetzt sehr stark sein. Ich bringe keine gute Nachricht.« Sie schluckte, warf Friede einen Hilfe suchenden Blick zu und sagte schließlich, zu Karoline

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