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Suess und ehrenvoll

Suess und ehrenvoll

Titel: Suess und ehrenvoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Avi Primor
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ein Gelände zu wählen, das ihre Schritte dämpfte. Sie würden den Bach an einer Stelle überqueren, wo man von Stein zu Stein springen konnte. Danach würden sie sich bemühen, auf feuchter, weicher Erde zu gehen. So hatte es ihm der Nachrichtenoffizier eingeschärft. Louis ließ seine Männer in einer Schützenkette mit großen Abständen zum ersten Beobachtungspunkt vorrücken, damit möglichst wenige von ihnen entdeckt wurden, wenn der Feind sie überraschte. Auf diese Weise wurde auch das Geräusch ihrer Schritte verringert und das Sichtfeld des Spähtrupps erweitert.
    Die Nacht ging zu Ende, und dichter Morgennebel lag über dem Tal. Der Trupp durchkämmte langsam das Gelände. Ab und zu pflanzten sich geflüsterte Meldungen durch die lockere Reihe fort. Auf diese Weise erfuhr Louis, was die Soldaten sahen und hörten. Nach einer Weile kamen sie an den kilometerlangen, schmalen See, den Major Joubert erwähnt hatte. ›Dieser See könnte die Schwachstelle sein‹, dachte Louis, ›er ragt wie ein Keil in das Terrain hinein, wo sich die Deutschen vermutlich aufhalten.‹
    Er gab den geflüsterten Befehl durch, die Soldaten sollten am Ufer in Deckung gehen und ihm, falls nötig, Feuerschutz geben. Er selbst würde in den See hineinwaten, der nach Jouberts Angaben sehr flach war, und das Gelände auskundschaften. Mit vorsichtigen, möglichst geräuschlosen Bewegungen tappte Louis Schritt für Schritt durch das seichte Wasser. Die Sicht war durch dichten Nebel behindert. Seine Soldaten hatte er schnell aus den Augen verloren. Er hielt sich dicht am Seeufer, um die Richtung nicht zu verlieren.
    Plötzlich blieb er erschrocken stehen. Durch die Nebelschwaden hindurch sah er eine reglose Gestalt am Ufer liegen. Vermutlich eine Leiche, die auf der Seite lag, mit dem Kopf im Wasser. Er kniff die Augen zusammen und erkannte eine deutsche Uniform. Der Schreck verschlug ihm den Atem. War er schon in feindlichem Territorium? Hatte er sich in der Vermutung geirrt, dass die Deutschen sich nicht am Seeufer, sondern in einiger Entfernung auf den umliegenden Höhenzügen verschanzt hatten? Während er noch fieberhaft überlegte, was er tun sollte, richtete die vermeintliche Leiche sich langsam auf und sah zu Louis hinüber. Mit einer instinktiven Bewegung riss er das Gewehr hoch und schoss. Der Schuss hallte laut durch den Nebel. Der Deutsche sank in sich zusammen. Louis spähte angestrengt zu ihm hinüber.
    War er allein, oder gehörte er zu einer Einheit, die sich in der Nähe befand? ›Kein Risiko eingehen‹, sagte er sich. ›Am besten kehre ich um. Wenn der Feind den Schuss gehört hat, bin nicht nur ich in Lebensgefahr, sondern auch meine Soldaten.‹ Louis wandte sich um und fing an, in gebückter Haltung zu der Stelle zurückzuwaten, wo er seine Männer zurückgelassen hatte. Plötzlich hörte er einen Ruf aus der Richtung, wo der deutsche Soldat lag. Einen erstickten Ruf. Ein Röcheln, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.

35
    F RANKREICH
— Oktober 1918 —
    Ludwig hatte keine Ahnung, wie er den Auftrag erfüllen sollte, der ihm von seinem Kompaniechef übertragen worden war. Er marschierte mit seinem kleinen Trupp in südlicher Richtung. Von dort mussten die Franzosen kommen. Ab und an warfen er und seine Männer sich auf den Boden und legten das Ohr an die Erde, um verdächtige Geräusche festzustellen. Es war nichts zu hören. Sehen konnte man ohnehin nichts, denn noch kündigte kein heller Schein am Horizont den Tagesanbruch an. In dem dichten Nebel, der über dem Gelände lag, würde auch die aufgehende Sonne die Sicht kaum verbessern.
    ›Vielleicht werden uns die Sonnenstrahlen sogar blenden, wenn der Nebel sich verzieht‹, dachte Ludwig. Und dann sah er plötzlich den See vor sich liegen. Er befahl den Soldaten, sich auf den Boden zu legen, und kroch zum Seeufer. ›Wie haben die Indianer das nur gemacht?‹, fragte er sich, während er versuchte, seine Bewegungen dem geräuschlosen Anschleichen seiner Vorbilder anzupassen. Am Ufer angekommen, legte er das Ohr ans Wasser. Hie und da glaubte er, etwas zu hören, doch dann brach die Bewegung, die er im Wasser wahrgenommen hatte, wieder ab. ›Vielleicht sind es nur Ratten, Fische oder Frösche‹, dachte er, ›ich vergeude meine Zeit mit kindischem Unsinn.‹ Er richtete sich langsam auf, um zu seinen Soldaten zurückzugehen. In diesem Moment spürte er einen heftigen Schlag auf seinem Stahlhelm. Der Aufprall hallte ihm dröhnend in den Ohren,

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