Süßer der Punsch nie tötet
hinein klingelte Katinkas Handy.
»Hallo?«
»Wenn Sie wollen, schauen Sie doch mal am Schönleinsplatz vorbei«, säuselte Dante in den Apparat. »Da ist allerhand los.« Er legte auf.
»Entschuldigen Sie die Unterbrechung.« Katinka steckte das Handy weg.
»Schon recht.« Gefell schien den Faden verloren zu haben. »Brauchen Sie noch eine Würzmischung?«
»Ich studiere erst mal Ihr Buch«, wiegelte Katinka ab und blätterte den Band auf. ›Für Katinka Palfy mit den herzlichsten Grüßen, Ihr Claudius Gefell.‹ »Danke noch mal!«
Sie navigierte durch die Menschenmassen in der Langen Straße. Diejenigen mit den dicken Tüten wirkten weniger genervt als diejenigen ohne Tüten. Wahrscheinlich, weil sie ihre Geschenke schon beisammen haben, dachte Katinka. Selbst hatte sie immer noch keine glorreiche Idee, was sie Hardo zu Weihnachten unter den Baum legen sollte.
Die lebensgroße Krippe am Schönleinsplatz war pünktlich zum ersten Advent aufgebaut worden. Umtost vom Verkehr standen der Verkündigungsengel und Maria einander gegenüber, beschirmt von einem gewaltigen Weihnachtsbaum und aus der Ferne kritisch beäugt von Johann Lukas Schönlein. Die Büste von Bambergs berühmtem Arzt residierte im Winterhalbjahr unter einem schützenden Überbau mit Glasfront, der an ein futuristisches Vogelhäuschen erinnerte. Allerdings sah Maria heute ziemlich verändert aus.
»Ich sage Ihnen was: Sie ist es gar nicht«, raunte Dante, wie aus dem Nichts aufgetaucht, Katinka ins Ohr.
»Ihnen rast wohl der Kittel! Müssen Sie mich so erschrecken?«, fauchte sie ihn an.
»Ich dachte, nichts und niemand könnte Ihnen Angst einjagen. So wie Sie den Riesen mit den Ohren unschädlich gemacht haben …«
Katinka drängte sich durch die Schaulustigen. Statt Maria hielt eine Sexpuppe eine Unterredung mit dem Engel. Sie war nackt bis auf den Hauch einer roten Korsage aus Samt, die knapp über den Brüsten und am Slip mit weißem Kunstpelz besetzt war. In ihren Armen hielt die Puppe ein Schild: ›Achtet die Würze des Lebens!‹
»Toll gemacht, was? Soll ich Ihnen wieder eine Fotostrecke zuschicken?«
»Sie nerven, Wischnewski!« Katinka hatte Polizeiobermeisterin Sabine Kerschensteiner entdeckt. Die beiden Frauen waren seit Langem dicke Freundinnen. Erst vor Kurzem war Sabine befördert worden. Jetzt schmückten drei Sterne ihre Uniformjacke. »Sabine!«
»Mensch, Katinka! Weihnachten ist immer eine Rammelbude, aber dieser Advent übertrifft alle Erwartungen.«
»Irgendwie sieht das ja witzig aus.«
»Sag das bloß nicht zu laut. Sonst haben wir auch noch demonstrierende Katholiken am Hals.« Die Polizistin strich sich ein paar blonde Strähnen aus dem Gesicht. »Hardo kommt gleich. Wir können eine Verbindung zu den Mordfällen nicht ausschließen.«
»Nur wegen eines Wortes? ›Würze‹?«
Sabine zuckte die Achseln und begann, die Neugierigen von der Krippe wegzudrängen, damit ihre Kollegen den Tatort absperren konnten.
»Das ist ein Scherzkeks«, sagte Katinka zu sich selbst. »Ein Trittbrettfahrer, einer, der Weihnachten nicht mag oder einfach witzig sein will.«
»Bin der gleichen Meinung.« Dante spross wie Spargel neben Katinka aus dem Boden. »Habe ich Sie wieder erschreckt?«
Katinka verdrehte die Augen.
»Zigarette?« Er hielt ihr die Schachtel hin.
»Danke.«
»Gern. Kaufen Sie sich doch einfach mal selber welche.«
Maria wurde entführt. Ein Scherz? Blasphemie? Oder ein Indiz?
9. DEZEMBE R
Katinka lag noch im Bett, als Hardos Klingelton
ihr Handy vibrieren ließ.
»Morgen, Hardo!«
»Eine dritte Tote. Gestern auf dem Kochkurs in Haßfurt.«
»Warum hast du nicht längst angerufen?«
»Kollegin Ruth Stein bearbeitet den Fall«, erwiderte Hardo. »Sie hat mich vorhin erst verständigt. Und warum liegst du noch im Bett? Nichts zu tun?«
»Schweinegrippe.«
»Spinnst du?« Er hörte sich tatsächlich ein klein wenig besorgt an.
»Nenn es Elefantengrippe, Vogelgrippe oder SARS. Nein, ich bin nur müde und bereit für den Winterschlaf.«
»Damit wird es so schnell nichts werden. In fünf Minuten stehe ich vor deiner Tür und hole dich ab.«
Während Katinka in ihre Jeans sprang und einen dicken Pulli überstülpte, fragte sie sich, warum Hardo sie zurzeit so bereitwillig in die Ermittlungen einbezog. Es hatte Zeiten gegeben, in denen er sich mit Händen und Füßen gewehrt hätte, sie zu einem Tatort mitzunehmen. Jede klitzekleine Information hatte sie ihm aus dem Kreuz leiern müssen.
Ruth
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